Trente

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"Lou?"

"Pierre?"

"Was... was machst du an Estebans Handy?", fragte mein Ex verdattert und ich schluckte hart.

"Ich... ich bin bei- Nein, warte. Ich muss mich doch vor dir nicht rechtfertigen oder erklären. Es geht dich nichts an, was ich mache. Also, soll ich Esteban was ausrichten?", wiederholte ich meine Frage so ruhig wie möglich, wohlwissend, dass ich die Aufmerksamkeit der gesamten Gruppe auf mich gezogen hatte, als ich Pierres Namen ausgesprochen hatte.

Esteban hatte sich von Elena gelöst und kam langsam auf mich zu, die Stirn verwirrt gekräuselt. Offensichtlich hatte auch er keinen Schimmer, wieso Pierre ihn anrief.

"Nein, ich wollte nur... Ist er nicht vielleicht doch zu sprechen?", brachte Pierre stockend hervor und ich schaute fragend zu Esteban, der - obwohl er die Frage nicht kannte - sofort nickte.

"Einen Moment, ich geb ihm das Handy", informierte ich Pierre, dann händigte ich das iPhone seinem Eigentümer aus und biss mir angespannt auf die Lippe.

Esteban starrte sein Handy einen Moment lang an, als sei es giftig oder eine Bombe, dann hob er es ans Ohr und räusperte sich.

"Pierre, ich bin überrascht, dass du anrufst."

"Ja, ich war gerade beschäftigt. Ich feiere mit Freunden meinen Geburtstag nach."

"Ja, auch mit Lou. Es gab mal eine Zeit, in der wir alle drei befreundet waren, falls du dich erinnerst."

"Das geht dich nichts an, also spuck endlich aus, was du willst, sonst leg ich auf."

"Das sind ja ganz neue Töne von dir. Woher der Sinneswandel?"

Ich konnte nicht hören, was Pierre unserem Kindheitsfreund erzählte, aber als Estebans Augen sich überrascht weiteten und sein Blick wie erstarrt auf mich fiel, bekam ich sofort eine Gänsehaut und mein Bedürfnis zu wissen, worum es gerade ging, wuchs ins Unermessliche.

"Das... das wusste ich nicht. Aber ich akzeptiere die Entschuldigung. Sie war ganz schön überfällig Kumpel."

"Schon okay, das ist alles lange her. Wie hast du es eigentlich rausgefunden?"

Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Ging es hier etwa um das, was mir Pierre gegenüber in Mailand rausgerutscht war? Aber wieso erzählte er Esteban davon?

"Hm, davon hat sie gar nichts erzählt. Na ja, das ist eure Sache. Ist sonst noch was? Sonst würde ich mich jetzt wieder um meine Gäste kümmern."

"Alles klar, mach's gut Pierre."

Mit diesen Worten legte Esteban auf, schaute einen Augenblick lang schweigend auf sein Handy und sah schließlich zu mir.

"Weißt du was Pierre mir gerade spannendes erzählt hat?", fragte er mit ruhiger Stimme und ich erwiderte seinen Blick stumm.

"Er hat mir erzählt, dass ihr euch in Mailand über den Weg gelaufen seid und ein sehr interessantes Gespräch geführt habt. Du kannst dir sicher meine Überraschung deswegen vorstellen, schließlich haben wir während deiner Zeit in Italien das eine oder andere Mal miteinander geschrieben, hinterher sogar mal telefoniert und mittlerweile befinden wir uns seit mehreren Stunden in denselben vier Wänden. Da wundert es mich doch ein bisschen, dass diese Info ausgerechnet von Pierre kommt und nicht von dir."

Einen Moment lang wollte ich Esteban anfahren, weil er das vor der ganzen Gruppe ansprach, aber dann musterte ich seine Augen und mir wurde klar, dass er ernsthaft verletzt war, weil ich ihm nichts gesagt hatte.

Genauso hatte es vor all den Jahren angefangen, als ich mit Pierre zusammengekommen war und die Feindschaft zwischen den beiden Jungs rasant gewachsen war. Wir hatten Esteban nicht mehr so oft eingeladen sich mit uns zu treffen, hatten ihm nicht mehr alle Neuigkeiten direkt erzählt, hatten Geheimnisse vor ihm gehabt.

Something Old, Something New, Something Borrowed, Something Blue.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt