Dix-sept

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Es war schon eine ganze Weile her, dass ich Coco und Jules besucht hatte und trotzdem breitete sich sofort ein Gefühl von Zuhause in mir aus, als ich ihr Haus erblickte.

Sie wohnten ein klein wenig außerhalb von Metz in einem hübschen kleinen Reihenhaus mit einem Vorgarten wie aus dem Bilderbuch. Meine Schwester war beinahe besessen von Blumen, besonders von Magnolien, und das konnte man der kleinen Fläche vor ihrem Haus deutlich ansehen.
Manche hätten ihre Beete vielleicht übertrieben gefunden, aber mir gefielen sie und trotz der Gründe für meinen Besuch, entlockte mir der Anblick ein kleines Lächeln. Coco war meinem Blick gefolgt und grinste mich an.

"Jules' Eltern waren vorletzte Woche zu Besuch und seine Mutter hat mich wie jedes Mal gefragt, ob ich nicht doch ein bisschen Rasen säen will, statt alles voller Blumenbeete zu haben", erzählte sie mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen und ich konnte mir schon vorstellen, dass sie ihrer Schwiegermutter eine ihrer typischen sarkastischen und doch irgendwie freundlichen Antworten gegeben hatte.
In höflichem Sarkasmus war meine Schwester unschlagbar und ihre Schwiegereltern lieferten ihr nach eigener Aussage immer die besten Vorlagen dafür, was Jules regelmäßig die Augen verdrehen ließ, wenn er es hörte.

Weil Coco schon in Richtung Haustür vorgegangen war, beeilte ich mich ihr zu folgen und als ich hinter ihr in den Flur trat, empfing mich der vertraute Geruch von Familie. Gemeinsam liefen wir in die Küche, wo ich die Dunstabzugshaube hören konnte und entdeckten Jules am Herd.
Als er uns hörte, drehte er sich lächelnd um und begrüßte zuerst Coco mit einem Kuss, dann mich mit einer herzlichen Umarmung.

"Lou, wie schön, dass du hier bist", sagte er mit seinem typisch deutschen Akzent, der mich normalerweise immer zum schmunzeln brachte, wenn ich ihn eine Weile nicht gehört und mich erst wieder daran gewöhnen musste.

Jules' richtiger Name war Julian und er kam aus Frankfurt, einer ziemlich großen Stadt in Deutschland. Coco und er hatten sich im Urlaub in Spanien kennen und lieben gelernt und einige Jahre eine Fernbeziehung geführt, bevor Jules den Schritt gewagt hatte, nach Frankreich auszuwandern und mit meiner Schwester zusammenzuziehen.

Weil sie beide Familienmenschen waren, hatten sie sich auf Metz als Wohnort geeinigt, weil das geographisch ziemlich in der Mitte zwischen ihren Elternhäusern lag und damit waren alle Eltern und Schwiegereltern sehr glücklich gewesen.
Seit einem knappen Jahr waren Coco und Jules verheiratet und weil ich wusste, wie wichtig ihnen Familie war, ging ich davon aus, dass sie bald Kinder bekommen wollten und ich Tante werden würde, worauf ich mich jetzt schon freute.

"Hattest du eine gute Reise?", erkundigte Jules sich fürsorglich und riss mich damit aus meinen Gedanken.

"Ja, war okay. Kann ich vor dem Essen noch schnell meine Sachen ins Gästezimmer räumen und mich frisch machen oder ist schon alles fertig?"

"Keine Sorge, es dauert noch zwanzig Minuten. Ich hoffe Kartoffelsalat und Würstchen sind okay", antwortete Jules schmunzelnd und ich brachte ein kleines Grinsen zustande.

"Du weißt genau, dass ich es liebe, denn du das kochst. Bis gleich."

Mit diesen Worten verließ ich die Küche, schnappte mir meinen Koffer, den ich im Flur stehengelassen hatte und lief hoch ins obere Stockwerk, wo das Gästezimmer mit der dazugehörigen Toilette war.
Als ich den Raum betrat und mich umsah, musste ich unweigerlich lächeln, dann Coco hatte einige Bilderrahmen mit Fotos von uns im Raum verteilt, die kuscheligste Decke im Haus, von der sie wusste, wie sehr ich sie liebte, aufs Bett gelegt und meinen kleinen Teddybär daraufgesetzt, den ich ihr damals bei ihrem Auszug von zu Hause als Andenken an mich mitgegeben hatte.

Dass sie all das getan hatte, damit ich mich hier wohl und willkommen fühlte, trieb mir Tränen der Rührung in die Augen, aber ich wollte nicht schon wieder weinen, weshalb ich einige Male blinzelte und dann in Windeseile meinen Koffer auspackte.
Weil meine Kleidung sich schmutzig von der Fahrt anfühlte und ich heute nicht mehr vorhatte rauszugehen, schlüpfte ich nach einer kurzen Katzenwäsche in eine Jogginghose und ein neues T-Shirt, dann lief ich wieder nach unten, wo wir uns alle gemeinsam an den Küchentisch setzten und aßen.

Something Old, Something New, Something Borrowed, Something Blue.Where stories live. Discover now