Quinze

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Meine Hoffnung, die Gerüchte würden sich bis zum Feierabend in Luft auflösen, wurden natürlich nicht erfüllt.
Stattdessen wurde es im Laufe der Woche zunehmend schlimmer und dass Pierre sich beim Rennen am Wochenende weigerte, der Presse Auskunft über sein Privatleben zu geben, wirkte wie Benzin auf Feuer.

Samstags kam dann zu allem Überfluss auch noch heraus, dass ich Pierre damals betrogen hatte, was einen gewaltigen Shitstorm gegen mich auslöste, und als wäre all das nicht genug, erwartete mich am Montagmorgen vor dem Büro eine ganze Scharr von Kollegen der Klatschpresse, die sich auf mich stürzten wie die Geier.

Als ich mich irgendwie durch das Getümmel gekämpft und das Gebäude betreten hatte, seufzte ich tief und zog mein Handy aus meiner Tasche, um Instagram zu öffnen, wo meine schlimmsten Befürchtungen sich bewahrheiteten.
Irgendjemand hatte den Artikel über Pierre und Esteban mit mir verknüpft und auf diese Weise herausgefunden, wer ich war und wo ich arbeitete.

Dass das berufliche Konsequenzen haben würde, war mir sofort klar, weshalb ich augenblicklich zu beten begann, dass Monsieur Roux mich nicht in hohem Bogen rausschmeißen würde, weil ich dem Ruf der Zeitung schadete.

Auf dem Weg zu meinem Büro fühlte ich mich die ganze Zeit beobachtet und mir war klar, dass ich mir das nicht bloß einbildete, sondern dass es wirklich so war. Meine Paranoia der letzten Tage, dass Blicke und Getuschel mich bei jedem Schritt begleiteten, wurden nach den neusten Entwicklungen zur Realität und ich konnte nichts dagegen tun.

So aufrecht und selbstbewusst wie möglich lief ich durch das Großraumbüro vor meinem eigenen und ignorierte die Blicke und das Flüstern, dann erreichte ich endlich meine eigenen vier Wände und schloss erleichtert die Tür hinter mir. Das war ein einziger Spießrutenlauf und ich befürchtete, dass ich ihn noch eine ganze Weile immer wieder überstehen musste.

Seufzend stellte ich meine Handtasche ab und hängte meine Jacke an die Garderobe, dann setzte ich mich auf meinen Schreibtischstuhl und wollte gerade mit der Arbeit anfangen, als es klopfte.

"Herein!"

Die Tür wurde geöffnet und Jolie betrat den Raum, ein mitfühlendes und zugleich aufmunterndes Lächeln auf den Lippen. Vorsichtig schloss sie die Tür hinter sich und lief neben mich, wo sie die Arme öffnete und mich auffordernd ansah.

"Na komm, lass dich drücken."

Eigentlich wollte ich widersprechen, aber vielleicht war das genau das, was ich jetzt brauchte, also stand ich auf und ließ mich von meiner Kollegin umarmen. Kaum hatte sie ihre Hände um mich geschlungen, spürte ich, wie mir Tränen in die Augen traten, aber ich kämpfte dagegen an und schluckte den Kloß in meinem Hals entschlossen herunter.

"Das ist alles eine verkorkste Scheiße", brachte ich heiser hervor und spürte, dass Jolie nickte.

"Ich weiß, aber das wird alles wieder. Ich weiß zwar noch nicht wie, aber kein Problem bleibt für immer."

Mir entfuhr ein tränenersticktes Lachen, dann löste ich mich von Jolie und ließ mich wieder auf meinen Schreibtischstuhl fallen.

"Dieses Problem scheint aber noch eine ganze Weile zu bleiben und das macht mich fertig", gestand ich erschöpft und Jolie setzte sich mit einem verständnisvollen Nicken auf den Stuhl, der mir gegenüberstand.

"Hast du denn mal mit Pierre gesprochen? Er könnte dem ganzen doch ein Ende setzen, indem er sich öffentlich dazu äußert. Wofür haben die denn ihre Pressekonferenzen?"

Ihr Vorschlag entlockte mir ein müdes Lächeln, aber es fühlte sich gut an, dass sie sich ernsthafte Gedanken zu machen schien.

"Bei diesen Pressekonferenzen werden ausschließlich sportliche Aspekte angesprochen und bei den Interviews auch. Dazu sind die Journalisten angehalten und den Fahrern wird von Anfang an beigebracht, dass falls so eine Frage doch mal auftauchen sollte, sie mit »Kein Kommentar« zu beantworten ist", erklärte ich.

Something Old, Something New, Something Borrowed, Something Blue.Where stories live. Discover now