Quarante-cinq

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Frohes neues Jahr🫶🏻

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Pierre kümmerte sich vom ersten Moment an liebevoll und geduldig um mich. Er kaufte ein und kochte, brachte mir jeden Morgen Frühstück ans Bett und stellte sicher, dass es mir an nichts fehlte. Den restlichen Donnerstag und den gesamten Freitag verbrachte ich quasi ausschließlich mit Schlafen, samstags fuhr Pierre mich zur Kontrolluntersuchung ins Krankenhaus, bei der aber zum Glück festgestellt wurde, dass alles wie erhofft zu verheilen schien.

Ich versuchte Pierre einige Male davon zu überzeugen, doch wieder nach England zur Arbeit zu fliegen, aber all meine Argumente prallten einfach an seinem liebevollen Lächeln ab und wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst war, war ich froh darüber. Die Zeit mit ihm erinnerte mich an früher und ich fühlte mich einfach nur geborgen und geliebt in seiner Gegenwart.

Aber das war nicht ausschließlich positiv. Jedes Mal, wenn er mir durchs Haar strich oder meine Stirn küsste, durchfuhr mich ein Stich, weil ich wusste, dass ich eine Entscheidung treffen musste und das so schnell wie möglich.

Vor dem Unfall hatte ich noch eher dazu tendiert ihm weiterhin nichts zu erzählen, sondern zu behaupten, ich würde nicht wieder mit ihm zusammen sein wollen, aber die letzten Tage hatten alles verändert. Mehrere Tage am Stück unmittelbar in Pierres Nähe zu sein brachte mein Herz so wild zum schlagen, dass ich manchmal befürchtete es könnte mir aus der Brust springen und ich hätte ihn am liebsten nie wieder gehen lassen.

Meine Gefühle ließen mir also im Grunde genommen gar keine Wahl; ich musste Pierre die Wahrheit sagen. Nur wie? Wie gestand man jemandem so ein Geheimnis, den man auf keinen Fall verletzen wollte?

Während ich mir darüber das Hirn zermarterte, ging es mir körperlich von Tag zu Tag besser. Die Übelkeit und die Halskrause verschwanden, die Kopfschmerzen und die ständige Müdigkeit wurden besser und auch das Atmen tat langsam etwas weniger weh. Deshalb war ich auch fest entschlossen, am Donnerstag wieder arbeiten zu gehen und meine Krankschreibung nicht verlängern zu lassen.

Pierre war anfangs nicht gerade begeistert davon, aber es war meine Gesundheit und meine Entscheidung und das akzeptierte er. Überhaupt ließ er mir in der ganzen Zeit trotz aller Sorge und allem liebevollen Umsorgen immer meinen Freiraum und drängte mich zu nichts, wofür ich ihm mehr als dankbar war.

Nach den fast vier Wochen des Wartens hätte ich es nur zu gut verstanden, wenn er auf den Punkt eine Entscheidung von mir verlangt hätte, wie es mit uns weitergehen sollte, aber er kannte mich gut genug, um zu wissen, dass mich ein Ultimatum oder ähnliches eher verschreckt hätte. Stattdessen gab er mir Zeit und Raum, was mal wieder aufs Neue bewies, wie gut er mich immer noch kannte.

Er hatte nicht ganz Unrecht gehabt, als er gesagt hatte, wir hätten uns zwar weiterentwickelt, aber nicht komplett verändert. Tief in unserem Innern waren wir immer noch dieselben Kinder aus der Nachbarschaft, dieselben Teenager zwischen Karts und Reifenstapeln, dieselben jungen Erwachsenen am Strand, die beschlossen den Rest ihres Lebens miteinander verbringen zu wollen.

Die Wahrheit war, dass ich immer noch den Rest meines Lebens mit Pierre verbringen wollte. Ich hatte niemals jemanden so sehr geliebt wie ihn und daran hatten auch die letzten knapp sechs Jahre nichts ändern können. Er war immer noch der Mann, neben dem ich abends einschlafen und morgens aufwachen wollte, für den ich vom Rand der Rennstrecke aus jubeln wollte, in dessen Armen ich für immer bleiben wollte.

Ich seufzte tief, als mir klar wurde, was das bedeutete. Ich hatte mich entschieden. Und das hieß auch, dass sobald ich Pierre die Wahrheit gesagt hatte, es nicht mehr in meiner Hand liegen würde, ob es tatsächlich mit uns weiterging oder ob unsere gemeinsame Geschichte ihr endgültiges Ende erreichen würde.

Something Old, Something New, Something Borrowed, Something Blue.Where stories live. Discover now