Trente-sept

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"Also, erzähl mir von deinem Leben, von den letzten Jahren. Wie bist du vom Jurastudium zum Journalismus gekommen?", fragte Pierre, nachdem wir unsere Gläser wieder abgestellt hatten.

"Ich wurde wegen zu vieler verpasster Klausuren exmatrikuliert und hab dann eher aus Planlosigkeit Journalismus und Politikwissenschaften studiert. Na ja und mittlerweile arbeite ich seit etwa einem Dreivierteljahr bei Le Courrier im Bereich Nationale Politik."

"Und macht dir das Spaß? Kannst du dir das für den Rest deines Lebens vorstellen?", erkundigte Pierre sich interessiert und ich nickte ohne zu zögern.

"Definitiv. Ich habe viele Kontaktpunkte mit Jura, also ist es gar nicht so weit von meinen ehemaligen Plänen entfernt und ich mag es, dass Journalismus und Politik ständig in Bewegung sind. Es wird niemals langweilig, sondern bleibt immer abwechslungsreich und hält Überraschungen parat."

"Überraschungen wie ein Artikel für den Sportteil der Zeitung?", feixte Pierre und entlockte mir damit ein kurzes Lachen.

"Ja, auch solche Überraschungen gibt es. Und es war eine spannende Erfahrung mal in einem völlig anderen Metier unterwegs zu sein und eine ganz andere Art von Artikel zu schreiben. Trotzdem bleibe ich lieber im Politikteil und beschäftige mich mit dem Motorsport nur in meiner Freizeit", antwortete ich, woraufhin mein Gegenüber mich überrascht ansah.

"In deiner Freizeit? Also verfolgst du die Formel 1 immer noch?"

Einen Moment erwiderte ich seinen Blick schweigend, dann lächelte ich schwach.

"Natürlich. Glaubst du ernsthaft, ich hätte auch nur ein einziges deiner Rennen verpasst? Ich hab jedes einzelne gesehen, Pierre."

"Wow, das... das wusste ich nicht", murmelte mein Ex-Verlobter und schluckte hart, "Ich schätze ich bin davon ausgegangen, dass du nie wieder einen Gedanken an mich verschwenden wolltest und deshalb auch die ganze Rennwelt hinter dir gelassen hast."

"Vielleicht wäre es ganz gut gewesen, wenn ich mich nicht ständig auf diese Weise an dich erinnert hätte, aber es ging einfach nicht anders. Ich musste unbedingt wissen, ob du dir deinen großen Traum von der Formel 1 erfüllst und wie es für dich läuft. Und so ging es nicht nur mir, Coco hat deinen Weg auch sehr genau verfolgt."

Der letzte Satz brachte Pierre zum lachen.

"Das wundert mich kein bisschen, sie war schon immer die Neugier in Person. Wie geht's ihr?"

"Super. Sie ist verheiratet und sehr glücklich mit ihrem Mann, hat ihr Studium abgeschlossen und ist jetzt Grundschullehrerin, was ihr sehr gut gefällt."

"Seht ihr euch noch oft?"

"Leider nicht, sie wohnt mittlerweile in Metz. Aber wir telefonieren und schreiben so gut wie täglich, deshalb fühlt es sich die meiste Zeit so an, als wären wir immer noch Teenager und würden zu Hause bei Maman und Papa leben", erzählte ich schmunzelnd.

"Weißt du noch wie sie früher ständig in dein Zimmer geplatzt ist, wenn ich zu Besuch war? Sie wollte unbedingt sichergehen, dass es dir gut geht und wir brav sind."

"Oh ja, daran erinnere ich mich. Sie hat ihre Rolle als große Schwester immer ernst genommen und mich beschützt und daran hat sich nichts geändert", entgegnete ich mit einem seligen Lächeln auf den Lippen, bevor ich Pierre interessiert musterte, "Was ist mit deinen Geschwistern? Alle noch so durchgeknallt wie früher oder mittlerweile auch mental erwachsen geworden?"

Bevor er antworten konnte, wurden wir durch den Kellner unterbrochen, der uns das Essen brachte, dann begann Pierre mir von seiner Familie zu erzählen und im Laufe des Abends erfuhren wir zunehmend mehr übereinander, sodass ich nach einigen Stunden endlich nicht mehr das Gefühl hatte wir seien Fremde.

Something Old, Something New, Something Borrowed, Something Blue.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt