Kapitel 48

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Orientierungslos laufe ich durch die Straßen Türkeis. Mein Körper in der dicken Jacke versteckt, Kopfhörer in den Ohren, den Kopf gesenkt, denke ich an dem Gespräch am Nachmittag mit dem Arzt.

">>Dein Tumor wächst und wächst.<<, informiert mich der Arzt.
Mit Tränen in den Augen lehne ich mich nach hinten.
>>Sie könnten aber noch überleben.<<, er räuspert kurz und schaut auf die Unterlagen, >>Wenn Sie die Kinder abtreiben, könnten wir sofort mit einer Chemotherapie anfangen.<<

>>Nein!<<, schreie ich regelrecht, >>Niemals, ich werde meine Kinder nicht umbringen, damit ich weiter leben kann. Sie sind der einzige Grund, weshalb ich mich noch an meinem Leben fest halte, sonst-<<, ich schlucke laut, >>Sonst hätten Sie mich überhaupt nicht in Ihrem Praxis blicken können.<<

Er hatte große Augen und steht von seinem Stuhl auf.
>>Frau Kaya, ich verstehe Sie, aber denken Sie mal nach. Ihre Kinder werden auf die Welt kommen, Sie werden nicht mehr da sein, bei der Geburt könnten Sie oder ihre Kinder es vielleicht nicht überleben. Der Tumor wird Ihr Körper regelrecht verschlechtern. Sie werden Tag zu Tag immer schwächer werden. Körperliche Tätigkeiten wie zum Beispiel essen und trinken, laufen, die Zähne putzen und weiteres werden Sie nicht mehr ausüben können.<<

Laut schlucke ich und schließe die Augen. Der Hass auf mich selbst vergrößert sich automatisch. Das Leben anderer habe ich in den Dreck gezogen und das Leben meiner Kinder- das könnte ich mir niemals verzeihen.

>>Meine Entscheidung steht fest, die Kinder bleiben und ich werde sie auf die Welt bringen.<<"

Wütend hatte ich meine Tasche genommen und bin auf die Straße gerannt.
Schmerzen im Herzen schlendere ich durch die Gassen und komme am Ende an einem Zaun an. Der Zaun hat ein mittelgroßes Loch.
Nach dem Zaun ist nur noch die Wiese zu sehen.

Ich drehe mich erschrocken um und drücke meinen Körper an den Zaun.
Die Bilder schwirren in meinem Kopf hin und her.

Kayahan und ich rennend in die Gasse, ich verstecke mich hinter dem Zaun- auf dem Boden liegend, zitternd, Angst um Kayahan.
Wie er vor den Polizisten steht und plötzlich geschossen wird.

Ein Mann in schwarz gekleidet.

Ich raufe an meinem Haar und kreische mitten in der Gasse. Passanten schauen mich komisch an doch beachten mich nicht weiter.

Die Tränen nehmen ihren Lauf. Weinend krümme ich mich zusammen auf dem Boden und schluchze laut.

Stundenlang sitze ich auf dem Boden, meine Knien an mich gezogen, mein Kopf auf dem Knie, blicke ich zum Zaun.

Irgendwann, stundenlang später sammle ich all meine Kräfte zusammen und stehe mit zittrigen Beinen auf.
Mit wackligen Beinen schaffe ich es bis zu meiner Wohnung und steige die Treppen hinauf, schließe die Haustür auf, Atsız kommt angerannt, ich tapse ihm auf den Schädel und nehme ihn auf den Arm.

>>Da bist du ja endlich!<<
Ich blicke in das Gesicht von Timur Kaan.

Mit dem Gedanken, dass er mein Verlobter ist, komme ich immer noch nicht klar- besser gesagt- ich will nicht damit klarkommen.

>>Pack endlich deine Sachen zusammen, heute Abend gehts los.<<
Zurück nach Deutschland, Nürnberg.

Es war eine Woche vorrüber. In drei Tagen wird Elmas Hochzeit stattfinden und ein Tag davor die Frauen Junggesellenabschied.
Auch Er wird da sein.
Er- Kayahan.

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