~43 - r e a l i s e i t~

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| ROSÉ |

Die Tränen strömen mir flutgleich über das Gesicht, dass ich fast nichts mehr sehen kann, darum stoppe ich vor dem Pferdestall der nur wenige Minuten von der Lichtung entfernt liegt. Ich taumele aus dem Auto und steuere direkt auf die Box von Ascada zu. Dort rutsche ich an der Boxenwand langsam runter und bleibe mit dem Kopf auf meinen Knien sitzen. Die Tränenflut ist nicht zu stoppen und ich brauche eine gefühlte Ewigkeit, bis ich mich ein wenig beruhigen kann. Der Schmerz ist so unerträglich, dass es mich innerlich fast zerreisst.

Mein Herz zieht sich bei jeder Träne zusammen. Jeder Teil meines Körpers versucht zu verstehen, dass es vorbei ist. Doch das Schlimmste ist, dass ich auch noch Schuldgefühle habe. Ich denke ich bin an allem Schuld. Schuldig, dass ich nicht sofort zur Polizei gegangen bin, sondern erst alles verheimlichen wollte, um meine Mutter zu schützen.

Aber gleichzeitig bin ich auch verdammt wütend auf Kilian und es ist auch alles mit seine Schuld, denn dank Kilian bin ich nicht mehr Ich. Dank Kilian wurde mir zum zweiten Mal mein Herz gebrochen.

Ich habe schon wieder ein falsche Entscheidung getroffen. Schon wieder ein Fehler, der sich vielleicht nicht wieder gut machen lässt.

Ich erinnere mich daran, wie damals in der fünften  Klasse meine Mathelehrerin folgendes zu mir sagte: »Mathe ist das Leben. Es ist logisches Denken und wenn du dieses logische Denken umwandelst, dann kommt das Leben raus. Was denkst du, ist wichtiger? Die Zwischenschritte oder das Endergebnis der Aufgabe?« Ich habe damals nach einer Mathearbeit geweint, weil ich es nicht verstanden hatte. Ich hatte überall die Zwischenschritte richtig, aber das Endergebnis war falsch. Ich hatte damals geantwortet: »Das Endergebnis.« Ich war damals elf oder so gewesen und konnte es nicht richtig verstehen, aber jetzt hatte ich meine klare Antwort.

Das Endergebnis ist und war nicht wichtig, denn es gibt keins. Vielleicht in der Mathematik, aber nicht im normalen Leben. Da wird es nie ein einziges Ergebnis geben. Das Leben ist voller Entscheidungen. Du entscheidest dich schon wenn du nur sagst ›Ich esse heute viel oder ich esse heute gar nichts‹ Jede Entscheidung bringt dein Leben in eine bestimmte Richtung.
Es bringt dich auf einen neuen Weg.

Das Leben ist wie eine Straße und überall sind Wege und Straßen, die immer einen anderen Weg aufweisen. Du bist immer wieder auf einem neuen Weg. Es gibt kein ›fertiges Ich‹ es gibt kein Endergebnis. Außer im Tod irgendwann, aber auch nur wenn es tatsächlich kein Leben nach dem Tod gibt.

Es gibt kein Endergebnis, weil du dich immer weiterentwickelst. Weil du immer neue Entscheidungen triffst, die immer irgendwas verändern. Es hört nie auf.

Und so ist es auch bei mir und Kilian. Kilian ist mein Fehler. Mein allergrößter Fehler. Und vielleicht auch mein bester Fehler. Er ist mein Fehler, weil ich den falschen Weg gewählt hatte.

Oh Gott! Ich drehe noch durch. Ich habe das Gefühl, dass ich mich nur noch selbst verwirre mit diesem Scheiß.

Ich weine weiter, denn selbst diese Erkenntnis macht es nicht besser, dass gerade mein Herz gebrochen wurde. »Rosé!«, schreit eine bekannte Stimme und ich lehne meinen Kopf zurück. Ich sehe hoch und erkenne Lucy, die mit Layla am Arm in den Stall gestürmt kommt. Ich sehe die beiden mit tränennassem Gesicht an.

»Was ist passiert? Ich weiß was deine Mutter getan hat! Unfassbar dumm und... wie kann sie nur!? Layla hat mich angerufen und gesagt, dass ich sie bei Kilian abholen soll. Dann meint sie, dass du und Kilian euch gestern Nacht gestritten habt und er gegangen ist. Dann warst du heute Morgen plötzlich weg. Layla hat dein Handy geortet und...« Sie beendet den Satz nicht, aber ich weiß was sie sagen wollte.

Destiny Love ✓Where stories live. Discover now