6) Wollen

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Wir versammelten uns nun wieder vollständig um Kyle - das hieß, bis auf die exotische Schönheit mit den blonden Haaren, die weiter abseits stehenblieb. Sie schlängelte sich aus der Menschentraube heraus und dachte unter Garantie, sie würde das unauffällig machen. 

Falsch, meine Liebe.

Ganz hinterherschauen wollte ich ihr nicht, also wusste ich nicht, ob sie bei uns im Raum blieb oder sich verkrümelte.

Es konnte mir ja sowieso egal sein, weil das auf mich gerade keinen Einfluss machen würde. Sie war tabu.

Noch, hallte es in meinem Hinterkopf wieder. Noch war sie für dich tabu, weil du dich nicht in die Sachen deines Bruders einmischen willst. Doch es war vielleicht möglich, dass sie an ihm kein Interesse zeigte und er sich irgendwann daran langweilte. Dann hatte ich freie Bahn. 

Das machte mir Sorgen. Was würde ich dann machen?

Eigentlich wollte ich sie nicht, aber irgendwie doch wieder. Sie war eine Herausforderung und ich liebte Herausforderungen abgöttisch. Und wie ich ebenfalls dem Gedanken nicht abgeneigt war, sie zu küssen. So unanständig wie es nur ging, obwohl ich sie nichtmal mochte.

Bald kriege ich noch einen Nervenzusammenbruch wegen ihr. Aber so katastrophal in diese Richtung, dass ich zu einem sabbernden Verehrer mutierte, der sie ständig an der Leine bei sich führen wollte.

Es könnte sie ja jemand anderes angucken.

Oder anfassen.

Hilfe, ich verstand mich gerade selbst nicht. Und schon wieder dieses Brennen am Rücken. Sie schaute mich an.

Kurz verzog ich meine Lippen zu einem Grinsen, weil diese Situation und diese Empfindungen so verkorkst waren, dann biss ich mir aber auf die Lippe und strich mir das Lächeln wieder herunter. Ich wusste, wenn ich mich umdrehte, würde das ein riesiger Fehler werden. Aber ich wollte es.

Langsam drehte ich mich also zu ihr - um in ihr ertapptes Gesicht zu schauen.

Hah, ich hatte ja so richtig gelegen.

Ich konzentrierte mich darauf, sie ausdruckslos anzugucken und nicht dieses Lächeln aufzusetzen, dass ich immer benutzte, um mir Vorteile zu verschaffen. Um sie um den Finger zu wickeln. 

Sie dagegen wusste nicht so recht, wie sie reagieren sollte.

Ihre Wangen röteten sich leicht, ihre Hände, die sie auf die Oberschenkel gelegt hatte, pressten sich fester daran und als wollte sie noch mehr Abstand zwischen uns schaffen, obwohl mir die paar Meter zwischen uns viel zu viel waren, lehnte sie sich mehr gegen die Lehne des Stuhls, auf dem sie saß.

Ihre Reaktion ließ mich nicht kalt. Na... sie  lässt mich nicht kalt. Mir war heiß, zu heiß und ihr Anblick, dieses Kleid, das sie trug und das ihr so perfekt stand, machte es auch nicht besser.

Damn, girl.

Schau weg. Schau weg oder ich handel mir gleich ganz viel Ärger ein, weil ich irgendetwas Unüberlegtes tue.

Instinktiv wich sie meinem bohrenden Blick endlich aus und ich atmete die Luft, die ich angehalten hatte, wieder aus. Starr und höchst konzentriert versuchte sie nicht mehr in meine Richtung zu blicken, wie ich es etwas beruhigt nach ein paar vergangenen Sekunden feststellte und mich wieder abwandte.

Ich erhaschte einen Blick auf die Liste - und mir blieb das Herz stehen, als ich ihren Namen, oder besser gesagt diesen Kosenamen, in meiner Gruppe lesen konnte.

Uhhh, das war nicht gut. Von wegen keinen Einfluss auf mich, dass ich nicht lache.

Viele um mich raunten sich etwas und drehten ihre Köpfe nachhinten, um Cassandra anzugucken, die nichtsahnend auf diesen Stuhl hockte.

Die Liste wurde noch etwas herumgereicht, dass alle Bescheid wussten, ehe wir uns auflösten. Ein Mädchen hielt als letztes den Zettel nun in der Hand und ich registrierte, dass Cassandra vom Stuhl aufgesprungen war und wie ein staksiges Fohlen auf sie zuschritt.

Und gar nicht erst bei ihr ankam.

Dank Ian.

Dieser schwang fröhlich einen Arm um ihre schmalen Schultern, worauf sie sich gerade noch so aufrechthalten konnte. "Wie geiiill. Du, Schnuffi, du bischt in meiner Gruppe."

"In deiner Gruppe?", hakte sie verwirrt nach.

Interessiert an dem Gespräch spitzte ich weiter meine Ohren.

Er nickte begeistert. "Rischtig. Zuschammen mit Asch, Adam, Sia -"

"Du meinst Ace und Zia?", hakte sie nach.

Ian's blasse grauen Augen strahlten. "Ja, meine isch ja." Schnell strich er sich mit der anderen Hand seine hellblonden Haare von der Stirn. "Alscho mit mir, Asch, Adam, Sia, Leandroo, Victoria, Janine, Kyla und Zaschary."

"Uhm okay. Das sind aber mit mir zusammen nur zehn", erinnerte sie ihn zaghaft.

Matheass am Start.

Ich lief vor ihnen aus dem Raum die Treppe hoch.

"Oh, rischtig. Isch habe Adrian und Adrael ja ganz vergeschen."

Wie taktlos von dir, Ian. Ich musste grinsen. Jetzt ist Miss Platinblond bestimmt noch mehr geschockt.

"Adrian und Adrael?", erkundigte sie sich da auch schon zittrig.

"Genauuuuu. Dein Ehemann wird auch dabei schein."

Nix mit Ehemann. Adrian ist eine Schlampe in männlicher Form. Genau wie ich.

"Nichts mit Ehemann", gab sie hinter mir zurück.

Jetzt dachten wir schon fast gleich. Na das wird doch immer besser hier. Der Anfang einer perfekten klischeehaften Liebesgeschichte.

Yay.

Ian erwiederte diesmal nichts, stattdessen zog er sie mit in den Raum, den wir für Dark Room verwenden wollten.

Betont lässig schlenderte ich auf Adrian zu, der schon am anderen Ende des Raumes stand und der mitunter Cassandra fest im Visier hatte. Ob er sie nun wirklich nahm oder nicht, ich durfte nicht zu ihr. 

Ich konnte nicht zu ihr, das würde Folgen geben, die ich nicht haben wollte.

Ace schloss die Tür, gleich danach lehnte er sich an die Wand daneben und nahm den Platz wie immer am Lichtschalter ein.

Cassandra beobachtete ihn mit Argusaugen und selbst schien auch sie mit ihren Nerven fertig zu sein. Sie stützte sich an der Wand hinter sich ab, direkt neben Ace. Und dann sah sie wieder in unsere Richtung.

Im fast selben Moment, sie hatte sich schon wieder von uns abgewendet, ich mich aber nicht von ihr, ging das Licht aus.

Das kam jetzt zu plötzlich.

Ich war auf diese Runde nicht vorbereit.

So gar nicht vorbereitet.

Dark LoveWhere stories live. Discover now