16) Kitsch und anderer Kram

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(Erstmal: Tut mir so leid, dass so lange nichts kam, aber ich hatte echt viel Stress, beziehungsweise habe ich den immer noch. Jedenfalls hoffe ich, dass euch dieses Kapitel gefällt :))


Zuhause angekommen war Ralph natürlich noch nicht da, weshalb ich mein Motorrad genervt in die Garage schob und erstmal das Haus betrat.

Mehr oder weniger hatte ich jetzt umsonst die Schule geschwänzt.

Verärgert wählte ich seine Handynummer und betrachtete dabei verstörrt eine Statue, die heute Morgen noch nicht im Wohnzimmer herumstand. Bestimmt hatte Mom, nachdem wir alle aus dem Haus verschwunden waren, sie dort hingestellt, dass wir nicht gleich wieder über ihren Dekorationswahnsinn herumnörgelten.

Aber sie wollte es ja einfach nicht akzeptieren, dass sie das ganze Haus zumüllte. Es war zwar nicht so, dass es hier wie einer Messiwohnung aussah, aber in jedem Raum der unteren Etage wurde man von einer neuen Kultureinrichtung wortwörtlich erschlagen und man konnte sie wegen ihren Umräumens auch nicht an eine Sache gewöhnen.

Es änderte sich ja ständig.

Seufzend schritt ich weiter ins Wohnzimmer, dabei ertönte die Mailbox von Ralph. Noch genervter als schon vorhin und gerade eben noch, pfefferte ich mein Handy hinter mir auf die Couch und ließ mich gleich dahinter herauffallen.

Da ich gerade so gar keinen Plan hatte, was ich mit meiner Zeit anfangen sollte, angelte ich neben mir auf dem Wohnzimmertisch nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher an.

Der große breite Bildschirm wurde von einem Filmtitel geschmückt. Anscheinend hatten sich meine Eltern gestern noch etwas auf Netflix angeschaut und sind mal wieder auf der Seite dringeblieben, anstatt auf normale TV Sendungen umzuschalten.

Ich zog langsam die Augenbrauen hoch, als ich mir die kurze Inhaltsangabe vom Film durchlas. Die perfekte, langweilige Liebeskomödie. Staune ja, dass Dad das mit ihr geguckt hatte.

Weil ich neugierig geworden bin, warum gerade mein Dad das mochte und weil ich eh gerade keinen anderen Plan hatte, spulte ich vom Abspann zum Anfang zurück und drückte skeptisch auf Play, pausierte gleich aber wieder, da mir einfiel, dass ich nichts zum nebenbei Essen hatte.

Also schlurfte ich zur Küche, holte mir das schweineteure Ben&Jerrys Eis aus dem Gefrierfach, schmierte mir noch schnell ein Sandwich, griff dann erneut in den Kühlschrank, um Joghurt ebenfalls mit ins Wohnzimmer zu schleppen und schmiss mich wieder auf die Couch. Das Eis war zum Glück noch nicht geschmolzen, weil ich mich ziemlich beeilt hatte.

So saß ich dort nun, fraß alles Mögliche in mich herein und sah mir das kitschigste vom kitschigsten an.

Und am Ende des Films konnte ich mir noch immer nicht erklären, warum Dad sich das mit Mom angeschaut hatte - aber ich hatte jetzt die deprimierendste Stelle meines Lebens erreicht. Nein, eher die lächerlichste.

Anders konnte ich es mir nicht erklären, weshalb ich auf dieses fiktive Paar und deren Geschichte eifersüchtig war.

Es war doch nur ein beschissenes Storyboard, das mit viel zu viel Klischee angereichert wurde.

Jedoch... ich glaubte, mich beschäftigte eher eine Sache. Nämlich diese Beständigkeit, mit denen beide lebten. Sie hatten sich immer, sie fixierten sich nur auf sich als Paar und hatten nicht einen ständigen Wechsel wie ich.

Traurigerweise wusste ich nichtmal, wann ich meine letzte lange Beziehung hatte, geschweige denn mit wem.

Ja, eigentlich war das wirklich traurig.

Allerdings hatte ich mir jetzt einen gewissen Status erschaffen, den ich garantiert nicht so schnell loswurde und der schon zur Routine geworden ist. Und ich änderte nicht gerne Routinen.

Tja.

So kann es ja zu gar keiner Veränderung kommen.

Ich räumte meinen Müll weg, warf einen Blick zur Uhr, dann auf mein Handy und registrierte, dass erstens, nur zwei Stunden vergangen sind und zweitens, Ralph in seiner Nachricht geschrieben hat, dass er noch mindestens drei Stunden unterwegs ist. Und seine Nachricht hatte er vor gerade mal fünf Minuten abgeschickt.

Entnervt stöhnte ich erneut auf, bis ich mich schließlich die Treppen hochschleppte und mich auf mein Bett einquartierte, das sofort wieder aufquietschte.

"So ne Scheisse", fluchte ich angepisst und streckte mich mit voller Länge über dieses Schrottteil aus. Das Handy hoch über mein Gesicht haltend, scrollte ich die verschiedensten Bilder auf Instagram durch, bis mir ein blöder Einfall kam. Und dieser Einfall war kein anderer, als das Profil von Cassandra zu suchen.

Irgendwie wollte ich mehr über sie herausfinden und mich mit ihr normal unterhalten konnte ich nicht, da... es einfach nicht klappte.

Es lag nicht nur an mir, sondern auch an ihr.

Ich meine, welcher Typ bleib schon gechillt und vollkommen ruhig, wenn sie einen mit diesen... diesen einen besonderen Ausdruck in den Augen anblickte, dabei aber gleichzeitig vor Feuer sprühte, gleichzeitig jedoch auch noch so süß wirkte.

Auf die Lippe beissend gab ich mehrere Namenskombinationen ein.

Sie war eben ein komplettes Gesamtpaket, das irgendwie perfekt für mich erschaffen war. Eigentlich wollte ich sie nicht, andererseits doch. Und der komplizierte Fakt, dass sie gerade so war wie sie war und so anders, eigentlich doch nicht so meins, machte mich wieder heiß auf sie. Das war nicht gut.

"Volltreffer", murmelte ich schmunzelnd. Eine Namenskombination hatte Sinn ergeben und ich bin sofort auf ihrem Profil gelandet.

Ihr Profilbild war in schwarzen und weißen Farben gehalten und ich konnte nicht so viel erkennen. Enventuell stand sie vor einem Spiegel und fotografierte sich selbst. Sonst hatte sie nur noch ein Bild mit einer rotgetigerten Katze hochgeladen, die sich ausgestreckt auf einer Rosenbettwäsche befand.

Sie mag Rosen? Wie kitschig.

Ein wenig hielt ich mich noch auf Instagram auf, dann hatte ich auch keine Lust mehr, legte mein Handy weg und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Nicht geplant war, dass ich darauf fest einschlief und ich von meinen nervenden Bruder aufgeweckt wurde.

"Was ist?", fauchte ich ihn an. Gereizt darüber, dass er sich so angeschlichen und mich wohl die ganze Zeit so dicht vor meinem Gesicht angestarrt hatte und zusätzlich, weil ich es hasste aus meinem Schlaf gerissen zu werden.

Adrian lehnte sich zurück, was hieß, dass er sich auf meinen Boden legte, die Hände hinter dem Kopf verschränkte und die Decke mit einem undeutbaren Grinsen anstarrte.

Was hatte er denn bitte wieder genommen?

Da er nicht antwortete, nahm ich sein Schweigen als Antwort und drehte mich auf die andere Seite, rollte mich etwas ein und schloss die Augen wieder.

"Wolltest du nicht zum Möbelhaus? Denn, wenn ich mich nicht irre, liegst du immer noch auf deinem kaputten Bett. Und du hast die Hälfte des Tages verschlafen, wenn du echt die ganze Zeit gepennt hast, seit dem du aus der Schule abgehauen bist. Ach und du weißt schon, dass sich der Direktor deshalb wieder melden wird, weil du dich nicht abgemeldet hast und generell schon viel zu viele Fehlstunden hast?"

Ich atmete erneut genervt laut aus und gab das Schlafen nun endgültig auf. Ruckartig setzte ich mich aufrecht hin und wandte mich zu meinem Zwillingsbruder. "Du weißt schon, dass du sowas von anstrengend bist?"

Er grinste schief, während er sich ebenfalls aufrichtete. "Ja. Und jetzt komm, lass ein neues Bett kaufen."

Ehrlich gesagt hatte ich jetzt erst recht gar keine Lust mehr auf das Einkaufen im Möbelhaus zwischen den ganzen Menschen und dann auch noch das Suchen nach einem optimalen Bett, denn ich war nie schnell zufrieden.

"Okay, okay", entgegnete ich ergeben. "Lass los."


Dark LoveWhere stories live. Discover now