43) Erstmal

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Mein Kopf brummte.

Es ist keine gute Idee gewesen, gestern noch feiern zu gehen. Und schon gar nicht mit Bill und Leroy. Obwohl ich nicht gekifft hatte, stanken meine Klamotten intensiv nach dem Zeug. Ich wollte gar nicht wissen, was für eine Duftmarke ich hinter mir herzog, als ich über die vielen schlafenden Personen auf dem bekleckerten Teppichboden hinwegstieg.

Der Gastgeber selbst hatte es sich auf dem Esstisch bequem gemacht, in den Armen hielt er die viktorianische Vase seiner Mutter fest.

Ich bahnte mir einen Weg zur Küche, nahm mir ein Glas aus dem Schrank und füllte es bis zur Kante mit Wasser. Die Flüssigkeit kühlte angenehm mein rauen, kratzigen Hals.

Da ich nicht vor hatte, noch länger hier zu bleiben, geschweige beim Aufräumen in diesem Schweinestall zu helfen, machte ich mich zur Haustür auf. Die Stille in diesem Haus hatte etwas Beruhigendes an sich, man konnte sich nicht vorstellen, dass hier vor wenigen Stunden noch laute Musik lief und der Bass sich ins Trommelfell einhämmerte.

Da mein Zustand nicht der beste war, torkelte ich mehr als dass ich lief und brauchte etwas mehr Zeit den Flur herunterzugehen.

An der Garderobe griff ich nach meiner Jacke, schlüpfte in meine Schuhe, um dann zügig und leise das Haus zu verlassen.

Kurz vor dem Gartentor humpelte ein graues Knäuel auf mich zu. Mit zusammengekniffenen Augen brauchte ich eine Weile, bis ich das Wesen vor mir sitzend als Katze identifizierte.

Die Katze von Bills Schwester, die sich neuerdings aber nicht mehr um sie kümmerte, seit dem das arme Viech bei einem Unfall ein Bein verloren hatte und Bill war mit dem Tier komplett überfordert. Er war außerdem fest der Meinung, nur, weil ihr Fell komisch war und das Bein ab ist, sie demnächst einschläfern zu müssen. Jedenfalls hat er das gesten auf seinem Grastrip gesagt und ich war mir bei ihm, ob high oder nicht high, nicht so ganz sicher, was er am Ende wirklich machte.

Vorsichtig beugte ich mich zu ihr herunter, die grünbaunen Augen guckten vertrauensselig zu mir hoch und erinnerten mich daran, wie sie gestern bestimmt eine Stunde lang auf meinem Schoß ein Nickerchen abgehalten hatte.

Wie die Jungs gescherzt hatte, dass sie ich sie ja nun behalten konnte.

Mit einer Hand streichelte ich über ihren Kopf, den sie mir zugleich entgegengestreckt hatte. "Na du."

Sie miaute und strich um meine Beine herum, bevor sie sich wieder vor mich hinsetzte und artig auf etwas zu warten schien.

Eine ziemliche dumme Idee formte sich gleichzeitig in meinen Kopf zurecht. Ich wollte sie mitnehmen. Wer vermisste sie hier schon sonderlich? Gestern hatte ich sie eh schon gefüttert, weil Bill keine Lust hatte. Anscheinend mochte sie mich, dazu kam, dass Bill eh meinte, dass er kein Problem hätte, wenn ich sie nehmen würde als die Jungs schmunzelnd mein neues Schoßhündchen oder eher meine neue Schmusekatze betrachtet hatten.

Ohne weiter darüber nachzudenken, hob ich die sehr dünne Katze an und trug sie auf meinem Armen vom Grundstück herunter. Seelig schnurrend liefen wir also durch das Wohngebiet, ein ganz normaler Spazirgang eben.

Bill wohnte eh in dem gleichen Wohnviertel wie ich und deshalb hatte ich es zu Fuß nach Hause nicht weit. Die kalte, frische Luft taute mich langsam aus meinem benommen Zustand auf und ich konnte endlich wieder klare Gedanken fassen.

Dass meine Eltern von dem neuen Haustier nicht sonderlich begeistern sein würden, war mir klar, aber darum kümmerte ich mich später.

Ich machte meine eine Hand frei, sodass die Katze nur über meinem rechten Arm lag, um mein Handy aus der Tasche meiner schwarzen Jogginghose herauszuziehen - und von den eingetrudelten Nachrichten dermaßen erschlagen zu werden.

Dark LoveDonde viven las historias. Descúbrelo ahora