46) Elendige Prozedur

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Für einen Moment wirkte sie relativ unschlüssig, ließ ihren Blick lieber über meinen Arm hoch bis zu meinem Gesicht gleiten, anstatt mir ihre Hand zu reichen.

Ich zog einen Mundwinkel hoch. "Wusste ich doch, dass du dich nicht traust."

Meine Güte, was wollte ich eigentlich? Dass sie sich traute und das Ganze etwas... schief geraten könnte? Oder dass sie sich nicht traute und ich den Rest des Tages wieder deprimiert meine Runden zog, allerdings ohne ein schlechtes Gewissen gegenüber meines Bruders.

Aber ich will sie so sehr.

Noch bin ich mir nicht ganz sicher, ob das alles eine reine körperliche Sache war oder ob dahinter noch mehr steckte.

Nur jetzt war hier diese Gelegenheit... und die wollte ich ergreifen.

Also triezte ich böser Junge sie weiter. "Na, Cassie?", zog ich sie spöttisch auf, verhöhnte sie ein wenig.

Und das brachte tatsächlich was.

Kampflustig, wie ich es seit einiger Zeit langsam von ihr kannte, wenn ich sie provozierte, hielt sie den Blickkontakt stand.

Missmutig schnaubend schob sie mich plötzlich zur Seite und lief aus dem Zimmer.

Jetzt zuckten meine Augenbrauen nach oben.

Okay, das kam unerwartet - sollte mir aber nur Recht sein. Mit einem diabolischen Lächeln auf den Lippen folgte ich ihr nun ebenfalls heraus in den Flur.

Da stand sie, schon wieder etwas unsicher, schweigend mit Gesicht zur Treppe gedreht in unserem Flur.

Sie erinnerte mich wirklich immer mehr an eine plüschige Katze mit Minikrallen. Oder an ein flauschiges Hässchen, dass man in dem Arm nehmen wollte, sich aber gleichzeitig vor den spitzen Schneidezähnen hüten musste.

"Du musst zu der zweiten Tür auf der rechten Seite gehen", raunte ich ihr zu, dabei drehte ich sie sanft in die andere Richtung, sodass sie das andere Ende des Flures im Blick hatte.

Sehr zögernd machte sie einen Schritt. "Uhm ja."

Hatte da etwa jemand Angst? Vor mir? Das ist doch nicht nötig... also, vielleicht nicht nötig. Also, ich bin ja eh eingeschränkt in meinem Handeln aufgrund der Umstände von möglichen Unterbrechungen-

Verflucht, was dachte ich hier eigentlich? Ich war doch schlimmer, als mein Bruder. Ich verführte sie hier gerade.

Egal.

Leise glucksend, ich hatte den Verstand jetzt endgültig verloren, lief ich kopfschüttelnd mit ihr zu meiner Zimmertür und drückte sie auf. "Hereinspaziert", grinste ich sie an. Warum fühlte es sich so gut an, etwas Verbotenes zutun?

Sie war die Flamme meines Bruders!

Cassie sah mich einen Augenblick lange an.

Frech, wie ich nunmal war, wollte ich wieder nach der Tür greifen, um sie hinter ihr wenn dann zu schließen, doch sie bemerkte es rechtzeitig und hinderte mich daran.

"Lass sie auf", zischte sie.

Schulterzuckend blickte ich sie gerissen an. "Was ist, wenn ich die Tür abschließe?"

Das mach ich natürlich nicht und hatte ich auch nicht vor. Spaß muss trotzdem mal sein.

Entsetzt rutschten ihre Augenbrauen nach oben. "Ich wusste gar nicht, dass du so versaut sein kannst."

Wenn du nur wüsstest.

"Jeder ist auf die eine oder andere Art versaut, Babe", erklärte ich ihr mit vollkommen ernster Miene. Eine Gänsehaut bildeten sich auf ihren freien Armen, wozu ich jedoch nichts sagte. Stattdessen zu etwas anderem. "Was ist nun? Schon wieder kalte Füße bekommen?"

Dark LoveWhere stories live. Discover now