59) Ziemlich bekannte Stimmen

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"Vorsicht!"

Gerade noch so konnte ich dem anfliegenden Puck, der mit einem leisen Zischen knapp neben meinem Ohr vorbeiflog, im letzten Moment ausweichen.

Adrian kam mit einem lauten Schaben seiner Schlittschuhe neben mir zum Stehen. "Hey, Brüderchen. Wie wäre es, wenn du dir vielleicht mal doch deinen Helm aufsetzt? Oder willst du heute unbedingt ein Knock Out riskieren?"

Seufzend schüttelte ich nur den Kopf und machte mich zum Rand unserer Eisfläche auf, während man mich gegen Ben auswechselte, der nun voller Motivation auf den Puck lossauste.

Meine Konzentration, die ich beim Eishockey eigentlich nie vermisste, schien sich heute komplett verabschiedet zu haben.

Naja, ich wusste ja auch, woran es lag.

Eigentlich hatte ich heute vorgehabt Cassie abzupassen, um mal in Ruhe über alles zu reden, aber nein, ich hatte nicht daran gedacht, dass wir heute einen der anstehenden Trainingstage hatten, die uns auf die nächsten Meisterschaften vorbereiten sollten.

Das hatte ich wohl in dem ganzen Gewusel... ja... vergessen.

Dann kam auch noch dieser komische Konflikt mit Adam dazu, der mir genauso schwer im Magen lag. Er war einer meiner besten Freunde und ich konnte es nicht ab, wenn irgendetwas ungeklärt im Raum stand.

"Adrael?"

Ich drehte mich zu der Stimme um und sah schon im selben Moment unseren Trainer auf mich zuflitzen. "Ja, Mr Smith?"

Er reichte mir ein Handtuch und noch eine weitere Wasserflasche, die ich sofort aufdrehte, um einen großen Schluck zu trinken. "Ich glaube, du solltest für heute Schluss machen. Ich weiß, dass du sonst eine Top Leistung bringst, aber in deinem Zustand heute würde kein Training für dich förderlich sein. Zieh dich um, geh duschen und fahr nach Hause." Er klopfte mir kumpelhaft auf die Schulter. "Ruh dich einfach mal aus, du siehst aus, als hättest du drei Nächte durchgemacht. Bisschen weniger feiern, was?"

Kopfschüttelnd stimmte ich auf sein Lachen ein. "Okay, dann... gehe ich wohl mal." Ich war schon fast aus der Halle heraus, als er mich nochmal zurückpfiff.

"Achso, kannst du mal schauen, ob Adam in der Umkleide ist und ihn bitte hierher schicken? Der fehlt schon seit Ewigkeiten und das ist eigentlich nicht so sein Stil. Vielleicht bist du nicht der Einzige, dem es heute nicht so gut geht."

Na, vielleicht konnte ich wenigstens mit ihm heute reden.

Ich nickte das also nur ab und schleifte mich eher zu den Umkleiden hin, als dass ich richtig lief. Die Tür stieß ich mit meiner Schulter auf. Das Rauschen und Prasseln von Wasser auf Fliesen füllte die gesamten Räumlichkeiten mit Lärm.

Tja, ich hatte Adam wohl gefunden.

Wenn er mit Duschen fertig ist, konnte ich ihn noch immer zum Trainer schicken oder mit ihm kurz reden, was auch immer. Ich würde es auch nicht feiern, wenn jemand meine Duschsession einfach so unterbrach.

Deswegen konzentrierte ich mich erstmal auf mich, zog meine Soprtsachen aus, stopfte diese in meine Tasche, zog mir eine lockere Jogginghose über, schnappte mir ein Handtuch, das ich mir über die Schulter schwang und wollte gerade nach meinem Duschgel greifen, als ich statt des Wasserrauschens aufeinmal Stimmen vernahm.

Ziemlich bekannte Stimmen.

"Nein, das stimmt ni-"

Cassie.

"Sag jetzt bloß nichts. Natürlich war es klar, dass sich ein Mädchen wie du in einen der Zwillinge verliebt. Bist du so dumm und merkst nicht, wie kompliziert du dir das machst? Adrael hatte noch nie irgendwelche Gefühle für ein Mädchen übrig. Und bei dir wird es nicht anders sein."

Adam.

Mir stockte der Atem und einen Moment war ich wie versteinert.

Was machten sie hier?

Warum waren sie hier?

Hatte ich etwa etwas nicht mitbekommen?

Und wieso redeten sie bitte über mich?

Diese und noch mehr Fragen setzten mich für Sekunden außer Gefecht, bis ich mich endlich zusammenreißen konnte und mich langsam zu den Duschen hervorarbeitete, wenig später sah ich sie auch beide schon zwischen den Fliesenwänden in Angriffshaltung zueinander stehen.

Cassie stand mit dem Rücken zu mir, ihre kleinen Hände hatte sie zu Fäusten geballt und ihr ganzer Körper schien unter Anspannung zu zittern.

Meine Augen zuckten herüber zu Adam, der so ziemlich frontal zu mir stand, mich jedoch noch nicht bemerkt hatte.

Zum Glück, sonst hätte ich nie erfahren, was Cassie nun sagte.

"Ich bin nicht in ihn verliebt. Nur, weil ein paar Mal etwas zwischen uns vorgefallen ist, heißt das noch lange nicht, dass ich ihn liebe. Und wärst du etwas früher angetanzt und hättest mir erzählt, was du tatsächlich für mich empfindest, dann hätte ich dir bestimmt eine Chance gegeben. Was ist denn daran so schlimm, zuzugeben, dass du mich willst und mich in Dark Room immer geküsst hast?!"

Ich bin nicht in ihn verliebt.

Bumm.

Was ist denn daran so schlimm, zuzugeben, dass du mich willst und mich in Dark Room immer geküsst hast?!"

Bumm.

Zwei Schläge ins Gesicht, als hätte mich der Puck von vorhin jetzt erst getroffen und das gleich zweimal hintereinander. Ich wich entgeistert ein paar Schritte zurück.

Das erste... Okay, das hatte ich erwartet, aber es zu hören war nochmal etwas ganz anderes. Etwas völlig anderes.

Und.. das zweite...

Bitte was?

Er war es?

Adam?

Er?

Er hatte sie immer geküsst? Der, der meinen Verdacht immer auf meinen Bruder geschoben hatte?

Was soll das?

Was ist er denn für ein Miststück?

Mein Schock wandelte sich in glühend heiße Wut um - und genau in diesem Moment sah mich Adam endlich, worauf auch Cassie sich langsam zu mir umdrehte.

Ja, hallo. Schön, dass wir uns alle so gesammelt wiedertreffen.

"Also doch", gab ich fast schon knurrend von mir. "Warum, Adam, hast du mich die ganze Zeit angelogen und meintest, du wärst dir sicher, dass Adrian von Anfang so an ihr herangegangen ist? Sowas ist verdammt feige. Wie oft habe ich dich gefragt und du hast immer wieder die selbe Antwort gegeben?" So ziemlich gespannt auf seine Antwort, die er nun von sich geben würde, funkelte ich ihn lange und eindringlich an.

Aber natürlich ging er darauf nicht weiter ein, sondern zielte sofort auf einen nächsten Angriff. "Als ob dich das jetzt groß kümmert", konterte er erzürnt. "Und wie oft hast du mich bitteschön schon angelogen? Ich sage nur eins. Sonntagfrüh."

Das war ja klar, dass das wieder zum Gesprächsthema werden würde.

Weil ich jetzt auch dicht machte und meinen Zorn immer weniger kontrollieren konnte, schob ich Cassie zur Seite und baute mich wie ein Schrank vor meinen eigentlich besten Freund auf. "Was habe ich denn Sonntagfrüh deiner Meinung nach verleugnet, mhm?", mein drohender Unterton war nicht im Geringsten zu überhören.

Am liebsten wäre es mir, wenn er jetzt sagen würde, wir lassen das Thema einfach fallen und er würde auf meine Frage mit Schon gut oder Nichts antworten. Aber Adam war da anders, das wusste ich bereits.


Dark LoveWhere stories live. Discover now