20) Auf Kosten von anderen

16.6K 1K 283
                                    

Beiläufig ließ ich meinen Blick durch die großen Fenster über die vielen Köpfe der Leute schweifen, die sich dort wie Ameisen ansammelten, um ihre riesigen Bestellungen zu vertilgen.

Ohne darauf zu achten, dass ich mit einem Schokoeis von einem anderen Laden die Filiale betritt, schubste ich die Tür mit meinem Ellbogen auf und wäre beinahe in ein etwa gleichaltriges Mädchen hereingerannt.

Ihre eher nicht so vollen Lippen formten ein erschrockenes Oh, als ich gerade noch so vor ihr zum Stehen kam, ihre braunen Augen weiteten sich etwas.

Ich hatte ja völlig vergessen, dass meine Ausstrahlung und mein Aussehen auch dafür verantwortlich waren, wenn ich mich in solche unangenehmen Situationen wie gerade eben hereinritt.

"Sorry", murmelte ich nur und, weil sie keine Anstalten machte wegzugehen, schob ich sie etwas zur Seite, dass ich an ihr vorbeigehen konnte.

Ein emotionaler Krüppel zu sein, war nichts neues für mich.

Nach einigen Metern blieb ich jedoch erstmal stehen, um mir einen Überblick zu verschaffen und vielleicht meinen Bruder auszumachen, denn er ist mir bis jetzt noch nicht entgegen gekommen und musste demzufolge noch irgendwo hier sein.

Relativ schnell fand ich ihn auch.

Aber nicht alleine.

Am liebsten wäre ich auf der Stelle wieder umgekehrt, andererseits hielt mich nicht vieles zurück zu diesem einen bestimmten Tisch zu rennen.

Ich mochte es nicht wie Adrian sie  ansah.

Also gut, ein wenig Kraft war noch übrig, auf geht es in das nächste Gefecht. Wenn ich schonmal hier war...

Mit einer undurchdringlichen Miene, die die Mimik eines Steins verkörperte, näherte ich mich dem Tisch, gleichzeitig beobachtete ich wie mein Bruder Cassandra gerade irgendetwas zu erklären schien und sie wirkte auch ziemlich interessiert daran.

Es ärgerte mich sehr, dass ich so weit in das Geschäft hereinlaufen musste und dann kam auch noch dazu, dass die Tische so eng beeinander standen und manche Kinder mein Weg kreuzten, weil sie irgendeinem billigen Spielzeug herjagten, das sowieso gleich kaputt gehen würde. Zusätzlich sah es auch noch so aus, als würde Jonathan gerne aufbrechen, da er seine Burgerschachteln zuklappte, die er vorher zahlreich vor sich geöffnet aufgestellt hatte.

Seltsamer Vogel.

Endlich war ich fast bei ihnen, noch unbemerkt von den anderen und verstand den restlichen Satz, den Jonathan von sich gab.

"... aber das erklärt noch lange nicht, warum du dich zu uns hingesetzt hast."

"Tja." Adrian lächelte Cassandra an. "Ich kenne Cassie und -"

Cassie, würg. Scheiss Spitzname.

Es war an der Zeit, dass ich mich einschaltete.

"Er wollte eigentlich nur wissen, wer du bist", mischte ich mich betont ruhig ein, während ich neben Cassandra zum Stillstand kam und dabei mein Schokoeis wieder weiterlöffelte. Mein Blick war starr auf Jonathan gerichtet.

Sie schauten mich alle äußerst überrascht an, außer das Malfoy Double. Er hob legendlich skeptisch seine Augenbrauen an und fixierte mich genauso abscannend wie ich ihn vorhin im Möbelhaus.

Ich wurde doch etwas unruhig, denn der Ausdruck in seinen Augen kam so... wissend herüber. Als wüsste er genau, weshalb ich hier bin und dass er mich stört.

Wegen Cassandra.

Das gefiel mir nicht.

Niemand, der mir nicht unmittelbar nahe stand, sollte wissen, was ich gerade dachte und für irgendjemanden oder für irgendetwas empfand.

"Wenn du die jetzt neuerdings öfters hochziehst, hast du schon mit 27 Jahren Falten auf der Stirn", kommentierte Cassandra plötzlich seine Reaktion kichernd. Etwas irritiert bemerkte ich, dass sie das hier alles wohl sehr amüsant fand.

Nun gut, eigentlich war es das ja auch.

Ich schob mir noch einen Löffel Schokoeis in den Moment und erwiderte ungeniert den kalten Ausdruck in seinen grauen Augen. Etwas faszinierend war es tatsächlich schon, wie sehr er Draco Malfoy ähnelte. Auch mit diesen mit Gel frisierten Haaren, die in dem Licht besonders glänzten.

Hm.

Aufeinmal holte er eine Beuteltasche hervor, schob die ganzen Burgerschachteln herunter vom Tisch in die Tasche und stand auf. "Cassie, komm. Lass uns gehen", knurrte er an sie gerichtet.

Okay, ja. Das war schon lustig, dieses beschützerische Verhalten von ihm. Meine Mundwinkel zuckten und ich versuchte mich einzukriegen, um nicht Schokoeis aus meinem Mund fallen zu lassen.

Das würde unschön aussehen.

Ein wenig überfordert schaute Cassandra wohl festgewachsen am Boden zwischen Adrian und Jonathan hin und her.

Ach, meinen Bruder hatte ich ja ganz vergessen. Der schien Jonathan gleich an die Kehle springen zu wollen, weil er seine Flirtmöglichkeit und sein aktuelles Ziel vor der Nase wegschnappen wollte.

Die Schadenfreude überflutete mich beinahe ein wenig zu sehr und ich konnte jetzt echt nicht mehr verhindern, dass sich meine Lippen zu einem selbstgefälligen, belustigten Grinsen verzogen.

Auch, wenn ich selber nicht besser dran war bei ihr, weil ich eigentlich komplett bei ihr unten durch bin, war es umso lustiger zu sehen, dass Jonathan mich nicht wirklich als Konkurrenten einschätzte, sondern Adrian und das war höchst sonderbar, weil sonst war ich es, der böse Blicke vom Bruder der anderen Mädchen oder von ihren Freunden abbekam, selbst wenn Adrian ebenfalls bei mir war.

Wusste er wohl doch nicht gut genug darüber, dass ich der größere Rivale war.

Es war eine gute Entscheidung herzukommen, denn jetzt konnte ich mich auf den Kosten von meinem idiotischen Bruder amüsieren.

Ich registrierte erst viel zu spät, dass mich Cassandra anscheinend schon viel länger im Visier hatte, währendessen ich die beiden Streithähne betrachtet hatte. Jedenfalls stand sie mit einem Ruck auf - und klatschte mir meinen fast noch vollen Eisbecher mit der offenen Seite gegen mein weißes Shirt.

Damn.


Haha, ich versuche das Buch jetzt auch wieder öfters zu aktualisieren. Hoffe, das Kapitel hat euch gefallen.

💖


Dark LoveWhere stories live. Discover now