47) Echo

11.7K 888 157
                                    

Die bösefunkelnden steingrauen Augen meines Zwillingsbruders richteten sich unweigerlich auf mich.

Oh shit, der war nicht nur sauer oder wütend, nee, der war absolut am Durchdrehen vor Zorn.

"Was?", erlaubte ich mir ihm zuvorzukommen, dabei kramte ich mein Handy aus der Hosentasche hervor und rutschte weiter auf mein Bett herauf, um es mir etwas gemütlicher zu machen.

"Du weißt ganz genau, was ist", blaffte er erzürnt zurück. "Jetzt tu nicht so unschuldig, Adrael. Du hast sie doch auch schon längst auf dem Kicker, ich seh, dass du sie haben willst. Denkst du etwa, ich kenn dich nicht gut genug oder was? Hast du echt gedacht, du kommst mit deiner schweigsamen Masche durch?"

Oh, hups, erwischt.

Der Vorteil: Jetzt musste ich es ihm nicht mehr selbst sagen.

Ich sah ihn offen an und zuckte nur mit den Schultern.

Er verrengte die Augen zu zwei schmalen Schlitzen. "Wir werden schon noch sehen, wer sie zuerst herumbekommt."

Als ob ich nur auf eine einmalige Nummer aus wäre, pah, er wusste doch gar nichts, nichtmal ansatzweise.

Statt irgendetwas darauf zu erwidern richtete ich meine Konzentration auf meinen Handybildschirm. "War es das dann?"

"Nee", kam es überraschenderweise von ihm, weswegen ich doch nochmal hochschaute. "Ich will noch in eine Bar, die ist in der Innenstadt. Da sind ein paar Leute, unter anderem Victoria und ich bräuchte nach den ganzen Mäusschen mal endlich auch wieder guten Sex. Bei Cassie dauert das wohl noch ein wenig."

Beinahe hätte ich laut losgelacht.

Cassie und ein Mäusschen, der war ja auf einer ganz falschen Fährte. Und... Moment... Victoria? Victoria?

"Victoria?", ich zog meine Augenbrauen verstörrt nach oben. "Ernsthaft? Ich dachte, wir haben uns geschworen, nie mit der etwas anzufangen, Adrian."

Mein Bruder schenkte mir ein falsches Lächeln. "Ich dachte, wir haben uns auch geschworen, dass die Flamme von jeweils einem von uns immer unantastbar für den anderen ist. Aber...", da er schon fast aus meinem Zimmer herausgegangen ist, drehte er sich wieder zu mir um. "Zeiten ändern sich."

Recht hatte er.

"Kommst du nun mit?" Erwartungsvoll blickte er mich an, seine Wut war schon wieder komplett verraucht, er war schon immer ein Mensch, der vor Stimmungsschwankungen nicht wusste, wohin mit sich. "Vielleicht kommst du dann auch mal auf andere Gedanken und fischst nach Mädchen, die mehr deinem feurigen Kaliber entsprechen."

Wenige Stunden später fand ich mich in seinem Auto wider und fragte mich ernsthaft, was zum Henker ich hier machte. Erstmal war ich letztens erst feiern und zweitens wusste ich auch, dass Adrian nur eine Zweitwahl für Victoria war, denn diese textete mir schon seit Wochen, warf mir in der Schule zweideutige Blicke zu und likte jedes Bild, das ich auf Instagram hochlud, als eine der ersten und so weiter und sofort.

Ich wusste, dass viele unserer Jungs an der Schule augenblicklich darauf angesprungen wären, doch, sorry, ich nicht.

Adrian und ich hatten zwar ziemlich viele unterschiedliche Ansichten, doch eine unserer Gemeinsamkeiten war es, sich auf ein Ziel fest zu fokussieren und meins war nunmal Cassie im Augenblick, während seins das Bett über Umwege war.

Wir brauchten nicht lange zu fahren, dann hielt Adrian an und war schon auf dem Weg zum Eingang, während ich stehenblieb und in der Jackentasche nach einem Feuerzeug kramte.

"Adra? Was machst du denn jetzt noch?"

Natürlich hatte er gemerkt, dass ich ihm nicht folgte. "Noch eine rauchen", nuschelte ich in meinen hochgestellten Jeanskragen, da es heute ziemlich windig und frisch war. Dafür würde das Wetter die nächsten Tage etwas besser werden.

Dark LoveWhere stories live. Discover now