21) Ihr beschissener Ernst

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Meine Emotionen schwankten irgendwo zwischen jähzorniger Wut, die wie ein brodelnder Kessel in mir aufkochte, absoluter Empörung - aber auch eine gewisse Bewunderung war vorzufinden.

Ich bewunderte sie dafür, dass sie so einen Mut hatte, sich nicht alles gefallen zu lassen und alles andere als ein stilles Mäusschen zu sein.

Trotzdem musste ich ihr das jetzt nicht auf die Nase binden, schon gar nicht, wenn mein Ärger über die Aktion langsam die andere Empfindung übertraf. Dieses weiße Shirt mochte ich ziemlich gerne, es war ausgewaschen, lag angenehm am Körper und klebte nicht gefühlt wie eine zweite Haut an mir.

Tja und wenn ich jetzt Pech hatte, dann ging dieser riesige, intensive Schokofleck nicht mehr heraus und jeder würde sich sonst welche Gedanken machen, was da auf dem Stoff bitte passiert sein könnte.

Grimmig presste ich meine Lippen zusammen und starrte Cassandra in Grund und Boden.

Sie wirkte, als würde sie sich gerade in einem akuten Schockzustand befinden, ihre dunkelblauen, weit aufgerissenen Augen fixierten starr den Fleck auf meinem Shirt.

Ich bemitleidete sie dafür gar kein Bisschen. Überhaupt nicht. Schön wäre es, wenn sie sich dabei auch vielleicht mal fragen würde, warum zum Henker sie diese Aktion unbedingt ausüben musste.

Warum bitte? Mit welchem Recht?

"Ist das dein beschissener Ernst?", rutschte es mir deshalb heraus, auch, weil mich der ganze Tag schon viel zu sehr überfordert hatte. Irgendwann hielten selbst meine Nerven nicht mehr durch. Es waren gefühlt nur noch dünne Fäden, die mein ganzes Kostüm zusammenhielten.

Deutlich sah ich wie sie schlucken musste.

Irgendwie tat es mir leid, dass ich sie so angefahren hatte, aber da war sie jetzt selber Schuld. Ihr Fehler, wenn sie so leicht reizbar war und jedem anscheinend das Getränk oder Essen gegen die Klamotten klatschen musste, wenn ihr etwas nicht passte.

Ein flüchtiger Ausdruck der Erkenntnis huschte über ihr hübsches Gesicht.

Hah, sollte sie ruhig mal realisieren, dass das so gar nicht cool war. Ich ging viele Späße mit, aber der war deutlich unter der Gürtellinie, im wahrsten Sinn des Wortes. Ich spürte die lauwarme Flüssigkeit sich einen Weg zu meinem Hosenbund bahnen.

Jonathans einzige Reaktion zu diesem Vorfall bestand daraus, wieder so dämlich loszuhusten. Meine Fresse, wenn der eine Bronchitis hatte, soll der sich einen verdammten Arzt suchen und wenn er außerdem einen Aufmerksamkeitsdefizit hatte, würde eventuell ein Therapeut helfen. Oder aber der Typ hatte nie gelernt, wie man sich richtig räuspert.

So oder so, was ein komisches Heinzelmännchen.

Mein Bruder hielt sich derweil, so schlau ihn gewisse Erfahrungen gemacht haben, aus der Lage gekonnt heraus und blieb stumm. Verblüffung schmückte seine Miene.

Ja, mit dieser Handlung hatte niemand gerechnet.

Sie holte tief Luft, ihr Blick heftete nach wie vor auf mir.

Doch ich konzentrierte mich nochmal auf den Fleck, indem ich den Kopf nach unten neigte. Was eine Scheisse, der breitete sich wirklich immer weiter aus, mittlerweile klebte mein Shirt wirklich an meinem Körper. Mit zusammengekniffenen Augen guckte ich nach einigen Sekunden wieder zu ihr hoch, freundlich sah ich unter Garantie nicht aus.

Eher im Gegenteil.

"Ist das jetzt wirklich dein beschissener Ernst?!", wiederholte ich aufgebracht meine Frage zum zweiten Mal.

Cassandra stützte sich haltesuchend an einer Stuhllehne ab, während sie sich beschämt räusperte. "Ähm ja - ich meine nein. Oder ja?"

Oder ja?

Dark LoveWhere stories live. Discover now