42) Ich bin dein Bruder

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Natürlich hatte ich mich nach diesem ganz speziellen Nachmittag erstmal nach Hause gerettet. Die verwirrten Blicke meiner Mutter, die sie mir während meines verrückten Herumtigerns in der Küche zuwarf, ignorierte ich geflissentlich.

Ich konnte einfach nicht still irgendwo in der Ecke hocken, nicht, wenn heute so viel passiert ist.

So viel mit ihr passiert ist.

Und erst recht nicht, wenn mein liebreizender Bruder mit ihr in der Gegend umherkutschte, bei diesem Gedanke erst recht nicht.

Irgendwann beschloss ich, dass es so nicht weiter gehen konnte.

Ich musste mich ablenken.

Unbedingt.

Gerade, als ich Leroys Nummer fast schon gewählt hatte, um ihn zu fragen, ob wir heute nicht feiern gehen wollten, hörte ich wie sich ein Schlüssel geräuschevoll im Schloss unserer Haustür umdrehte.

Wenig später vernahm ich das fröhliche Pfeifen von Adrian und das Geräusch von Schuhen, die in irgendeine Ecke geschmissen wurden.

Langsam packte ich mein Handy wieder neben mir hin und schnitt die Tomate weiter klein, die mir unsere Mutter in die Hand gedrückt hatte. Sie stand gerade am Herd, rührte in einen der Töpfen herum und wirbelte dann lächelnd zu meinem Bruder herum, als dieser die Küche betrat und sich an den Kühlschrank anlehnte.

"Adrian, wo warst du denn noch?", fragte sie ihn interessiert, während sie an ihm vorbeilief, um nach ihrem Kochbuch im Regal zu angeln.

Adrians Mundwinkel zuckten nach oben, gleichzeitig verfestigte sich mein Griff, worauf der Saft der Tomate vom Brett herunterlief. "Ich habe noch jemanden weggebracht und das hat ein bisschen länger gedauert als gedacht."

Ja, das habe ich gemerkt.

Ich versuchte mir meine Bedientheit äußerlich nicht anmerken zu lassen und konzentrierte mich stattdessen lieber wieder auf meine Küchenarbeit.

Unsere Mutter hingegen ließ ihre kochenden Töpfe erstmal außer Acht. Wichtiger war für sie gerade etwas ganz anderes. "Und wer ist dieser jemand?", hakte sie natürlich neugierig, wie sie nunmal oft war, nach und wandte sich gleich nach ihrer Frage wieder mir zu. "Adrael, Schatz, schneide die Scheiben aber bitte nicht zu dick."

Finster verdrückte ich es mir die Augen zu verdrehen und tat, was sie verlangte, ohne eine Antwort von mir zu geben.

Mein Bruder schien allerdings erst jetzt zu merken, dass ich hier auch noch in dem Raum anwesend war. Etwas überrascht zuckten seine Augen erst zu mir, dann zu dem Schneidebrett und dann wieder zu dem Messer in meiner Hand. "Seit wann hilfst du denn in der Küche mit?"

Erst, als ich auch die restlichen drei Tomatenscheiben geschnitten hatte, schenkte ich ihm meine Aufmerksamkeit. "Seit heute," gab ich trocken zurück.

"Aha", war seine einzige Reaktion darauf, bevor er sich wieder dem Verhör von Mom stellte. "Das war eine gute Fredunin, die ich nach Hause gebracht habe."

Eine gute Freudin, dass ich nicht lache.

"Und wie heißt sie?"

"Cassandra."

"Von ihr habe ich ja noch gar nichts gehört. Stellst du sie uns auch mal vor?"

Und das ist der Punkt, an dem ich die Küche verlassen sollte, denn ich wollte nicht die ganze Zeit bei diesem Gespräch dabei sein. Lieber ging ich noch ein paar Runden laufen. Ich sortierte zügig die restlichen Scheiben auf den großen Teller, stellte das Tablett in die Spüle und war schon am Türrahmen, als ich Adrians Antwort noch mitbekam.

Dark LoveWhere stories live. Discover now