61) Stolz und Eifersucht

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Es strichen so einige Tage ins Land und so richtig wusste ich selbst nicht, wie die ganze Zeit so schnell vergehen konnte.

Fakt war nur, sie verging ohne Cassie.

Während alle anderen um mich herum irgendwie gut gelaunt waren und mehr oder weniger etwas mit ihr zutun hatten - selbst wenn es nur ein kurzes Begrüßen war - blieb ich schweigend im Hintergrund von alldem.

Ich hatte mich nun in den Posten Stiller Beobachter erfolgreich eingefunden, weshalb mir so einiges auffiel.

Anstatt dass Cassie hier zwischen uns herumwuselte, schien nun ihre Freundin Liv dafür ausgetauscht worden sein, auch wenn sie nur dauernd bei uns war, weil sie mit Ian zusammen ist. Ich fragte mich jedesmal, warum sie denn ihre Freundin dafür alleine ließ.

Denn Cassie schien das nach außen hin zu zeigen, wie ich mich fühlte.

Verwirrt, absolut unschlüssig, planlos und mir gegenüber komischerweise absolut eingeschüchtert, obwohl ich ihr nicht im Geringsten etwas getan hatte.

Ich war es schließlich nicht, der gesagt hatte, wir hatten nur paarmal was miteinander - im Sinne mehr ist da nicht, mehr wird da nicht sein.

Autsch.

Es ist wohl tatsächlich das eingetroffen, wovor ich mich insgeheim gefürchtet hatte. Ich wurde mal sauber nach einem One Night Stand abserviert und nicht umgekehrt. Sie mied meinen suchenden, gleichzeitig ziemlich bohrenden Blick gewissenhaft.

Gewöhnungsbedürftig, allerdings musste ich mich damit abfinden, da ich anscheinend zu feige war, sie zur Rede zu stellen.

Aber was sollte ich denn sagen?

Tut mir leid, dass das alles hier passiert ist? Ich kann es nicht ändern, wusste davon nichts? Aber es hatte eine gute Sache, weil hätte Adam von Anfang an zu seinen Gefühlen gestanden, hätte ich dich nie näher kennengelernt und es wäre nie zu gewissen Momenten gekommen?

An sich hörte es sich nicht schlecht an, aber die Umsetzung stand hier zu Debatte und ob ich das so hinbekommen würde... ich weiß ja nicht. Da sollte ich noch mehr an der Ausarbeitung pfeilen.

Und für wie lange? Für die nächsten dreißig Jahre und dann kommst du erst angetanzt, wenn sie schon lange mit jemanden verheiratet ist oder wie?

Klappe, ich werde es ja wohl noch vorher schaffen.

Naja, wenigstens schienen zwei von unserer Gruppe auf Wolke sieben zu schweben und ich gönnte es ihnen von Herzen. Ian mit seiner Liv und Ace mit... irgendeinem Unbekannten. Wir haben ihn bis jetzt noch nicht komplett ausquetschen können, wer es denn bitte ist.

Er hielt seinen Mund, als würde er mit irgendeiner Kronprinzessin regelmäßig Rendez-vous antreten und für den Schutz der Krone nichts sagen dürfen.

Mich störte es nicht weiter, irgendwann würde er schon mit der Sprache herausrücken, da war ich mir sicher.

Wer jedoch nicht weiter an das Sprache herausrücken interessiert ist, war Adam.

So richtig konnten wir dieses Kriegsbeil vom letzten Mal nicht begraben. Wir redeten darüber zwar nicht und konnten tatsächlich miteinander wieder herumscherzen oder normal reden, trotzdem ist bei dieser Sache etwas kaputt gegangen.

Und zwar jede Menge Vertrauen, das ich ihm sonst wie selbstverständlich geschenkt hatte.

Ich war auch froh, dass niemand von den anderen Jungs im Detail wissen wollte, was zwischen uns vorgefallen ist, selbst mein sonst so neugieriger Bruder akzeptierte es, dass wir beide nicht darüber reden sollten. Für die anderen wirkte es bestimmt, als hätten wir uns schon längst darüber ausgesprochen, doch ich bin mir ziemlich sicher, dass es zu einer Aussprache in der Form niemals kommen wird.

Ich hätte nichtmal die Wahrheit erfahren, wenn ich nicht genau in diesem Zeitfenster in die Umkleide gegangen wäre.

Allerdings war ich trotzdessen froh, sie erfahren zu haben.

Wer weiß, ob ich das anders je hätte...

Es war mal wieder Freitag und wie in den restlichen Mittagspausen auch, verbrachten wir unsere Zeit in der Mensa, wir alle plus Liv.

Ians Geburtstag stand demnächst an und natürlich wollte er den riesig feiern. Schon seit geschlagenen fünfzehn Minuten zählte er auf, was er alles brauchte und wie er sich die Feier vorstellte.

Mittlerweile hatte ich auch bei der Gästeliste komplett abgeschalten, bis mich ein bestimmter Name aus den trüben Gedanken riss.

"Was ist mit Cassie?", warf Leandro mit einem Mal ein. "Ian, hast du sie überhaupt schon aufgezählt?

"Nein, aber", scheinbar stolz reichte Ian ihm sein Handy hin. "Ich habe sie schon notiert. Sie steht oben bei euch und ich empfand es als selbstverständlich, dass ich sie einladen werde."

Na, ob sie auch wirklich zu uns kommen will?

Ace schien genau das auszusprechen, was ich gerade gedacht hatte. "Seid ihr euch sicher, dass sie hinkommen wird?"

"Warum denn nicht?", kam es von Leandro als Gegenfrage zurück.

Und schon wieder stand der Konflikt von letztens zwischen uns, über den nicht geredet wird. Es war derbe unangenehm. Adam und ich mieden es in dem Augenblick gekonnt, uns nicht anzusehen.

"Okay, ich glaube, ich rede mal mit ihr", warf Ace stirnrunzelnd  ein und wandte sich schon im selben Atemzug an Liv. "Weißt du, wo ich sie finden kann?"

Sie nickte. "Ja, in der Bibliothek vermute ich mal. Sie meinte, sie müsste noch etwas für einen Vortrag ausarbeiten und braucht dabei immer etwas Ruhe."

Dann hatte sie ja die letzten drei Tage Ruhe zum Vortragausarbeiten gebraucht, denn ich hatte sie in der Zeit gar nicht mehr hier in der Mensa gesehen.

Und schon war Ace auf dem Weg.

Nachdenklich blickte ich ihm hinterher, gleichzeitig ärgerte ich mich über mich selbst, dass ich nicht einfach gegangen bin. Das hier wäre wieder die perfekte Gelegenheit gewesen, ein Gespräch ganz in Ruhe und fast von den anderen abgeschottet zu führen, dabei hätte ich sogar einen Vorwand gehabt.

Oh man.

Die nächste Chance, die ich mir absichtlich durch die Finger gleiten ließ, weil mir mein Stolz und meine Eifersucht im Weg standen, ergab sich nach der sechsten Stunde auf dem Schulparkplatz.

Adrian hatte ein Gespräch mit zwei blonden Mädchen von der Wenton Highschool angefangen, die hier auf Freunde warteten und fühlte sich voll in seinem Flirtelement, weil ich keine Anstalten zur Konkurrenz machte.

Alleine schon deswegen nicht, weil meine Aufmerksamkeit auf einen roten VW Golf lag. Ace saß dort drin und schien eifrig nach jemanden Ausschau zu halten - und wie auf Bestellung entdeckte ich einen hellbonden Schopf, der sich wie ein flinkes Wiesel mit einem breiten Lächeln durch die Massen zu dem Wagen bahnte.

Jedoch hielt sie ungefähr auf der Hälfte ihres Weges ruckartig inne und drehte ihr Gesicht in meine Richtung.

Ein paar Sekunden musterten wir uns ausdruckslos zum ersten Mal seit drei Tagen. Meine Augen zuckten zwischen ihr und dem winkenden Ace hin und her.

Aha.

Stirnrunzelnd, meinen Kiefer fest angespannt, war ich diesmal derjenige, der sie irgnorierte und sich wieder seinem Bruder und den neuen Bekanntschaften widmete.

Ich wusste selbst, dass ich in solchen Sachen ein hoffnungsloser Fall war und hoffentlich konnte ich meinen inneren Schweinehund bald besiegen, sodass endlich mal ein Gespräch zwischen uns stattfinden konnte.

Ansonsten sah ich schwarz.

Oder weitere Autos mit Insassen, die auf sie warteten und sie mir vor der Nase wegschnappten.









Dark LoveWhere stories live. Discover now