Kapitel 12 - Pläne für Blödian und doofe Kuh

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Kapitel 12

Pläne für Blödian und doofe Kuh


~Mile~
7. Cecily 80'024 ☼IV – LaRuh, Turdidae, Twos

Er hatte das Licht, das durch die hohen Klosterfenster des Dormitoriums fiel, im halbwachen Zustand erst für Sonnenlicht gehalten, bis die grauen, polierten Granitwände ihn daran erinnert hatten, wo er sich befand; in LaRuh, dem Kapitol der Rebellion unter Tage. Die Sonne war kilometerweite Erdmasse von ihm entfernt. Und doch malte helles Licht die Texturen der Vorhänge auf seine Haut.
Mile stand auf, ganz vorsichtig, um Sabrina nicht zu wecken, die noch immer unter der Decke lag, ein Bein aus dem Bett hängend, und schlief.
Als Mile mit Eril auf den Platz des Attentats zurückgekehrt war, hatte seine Schwester ihn fest an die Hand genommen und ihm die Frage ins Ohr geflüstert, ob sie diese Nacht bei ihm schlafen könnte.
»Natürlich«, hatte er geantwortet und ihre Hand gedrückt, die er nicht mehr losgelassen hatte, bis sie sicher in ihrem Zimmer untergebracht waren.
Bei dem Gedanken an den gestrigen Horror stellten sich ihm wieder die Nackenhaare auf. Zwei Tote hatte es gegeben. Die Elfe, deren Bolzen in ihrer Brust Sabrina getroffen hätte, wäre Eril nicht der Held des Tages gewesen, um seine Schwester aus der Schussbahn zu stossen.
Offizier Eril Dolorkane.
Ihm war aber auch der zweite Tote zu verdanken, den die Stadtwache in ein Tuch gewickelt auf einer Bahre abtransportiert hatte, dorthin, wo auch immer die Rebellen ihre Toten brachten.
Warum hatte Eril den Mann erschossen?
Nur zu gern hätte Mile geglaubt, was der Elf zur Begründung seiner Tat gesagt hatte, nur konnte er es nicht. Dazu brauchte er sein Bauchgefühl nicht zu nutzen, das war reine Logik. Warum nur? Ja, der Attentäter war ein Abhängiger dieser Droge gewesen ... Jethro, genau, so hiess die. Er mochte wirr gewesen sein, ja, aber was er vor seinem Tod gesagt hatte ... ›Er sagte, ich dürfte meine Tochter besuchen, er ... er würde mich mitnehmen, ich dürfte sie sehen ...‹ Wer hatte das gesagt? Ganz offensichtlich hatte jemand den Mann zu dieser Tat angestiftet. ›Ich hätte Euch nicht erschossen, n-nur verletzt.‹
Er wollte seinen Verdacht nicht haben, er wollte glauben, dass der Rastaban ein Held war, wirklich... Aber sein Verstand war überzeugt, dass Eril Dolorkane in irgendeiner Weise in diese Sache verwickelt war. Er hatte den Attentäter erschossen, damit dieser seine Geschichte nicht erzählen konnte, er hatte etwas vertuscht! Nur was? Und warum?
Mile schob die Nase hinter die Vorhänge und blinzelte in das viel zu grelle Licht, das er nun als zu weiss für eine Sonne erkannte. Er blickte aus dem Fenster die Hauswand hoch und sah über der Stadt in der Mitte der schroffen Höhlendecke eine grosse, runde Kugel hängen, die so stark leuchtete, dass er nicht wagte, direkt in sie hineinzublicken.
»Boah«, flüsterte er. »Die Rebellen haben sich eine eigene Sonne geschaffen...«
Bei ›Tageslicht‹ konnte man die Brücken sehen, von denen die Schienenseilbahnen aus vier Richtungen ins Zentrum zur Kongressfestung führten. Sie erinnerten an Aquädukte.
Nun erkannte er auch, wie riesig die Höhle eigentlich war. Die Zwerge mussten wahrhaftige Meister ihres Handwerks sein...
In diesem Moment klopfte es an der Tür und Mile zog die Vorhänge ganz auf. »Herein«, sagte er und schmunzelte, als Sabrina sich genervt grunzend im Bett wälzte.
An der Tür scharrte und kratzte es seltsam, als würde ein Tier davor kauern. Schliesslich erfolgte das Runterdrücken der Klinke doch noch, die Tür sprang auf und herein kam... Essen auf Rädern – ein Küchenwagen, auf dem ein volles Frühstücksbuffet aufgebaut war.
»Guten Morgen, Mylord und Mylady«, verkündete eine fröhlich maunzende Stimme und erst meinte Mile, das noch ofenfrisch dampfende Brot hätte mit ihm gesprochen, bis er den Kater sah. Ein flauschiger, grauer Fellball mit schwarzen Streifen und gelbgrünen Augen.
»Wenn ich mich vorstellen dürfte: Mann nennt mich Meister de Murr. Freunde und Idole dürfen mich aber einfach beim Vornamen nennen: Floyd. Es ist mir wahrlich eine Freude!« Er verbeugte sich so tief, dass die Feder an seinem Hut seine Lederstiefel abstaubte.
»Ist mir auch 'ne Ehre«, antwortete Mile und versuchte sich ebenfalls in einer Verbeugung, da meldete sich auch Sabrina zu Wort.
»Alter! Das ist der gestiefelte Kater!«, rief sie, die mit einem Mal kerzengerade im Bett sass, die blonde Mähne explosiv von ihrem Kopf abstehend. »Du bist eines meiner Lieblingsmärchen!« Sie strahlte mit Kissenabdruck im Gesicht.
»Oh, das freut mich, Herrin!«, schnurrte Floyd, legte eine Pfote auf den Knauf seines Schwerts und schwellte stolz die Brust unter dem schwarzen Gambeson mit dem aufgestickten Raben der Rebellen. Als hätte er die Geste vergessen, zog er sich hastig den Hut vom Kopf und verbeugte sich noch einmal vor seinem Lichterlord. »Offizierin Sadaf schickt mich. Ich bin Euere persönliche Leibgarde.«
Mile runzelte die Stirn.
Sabrina schnaubte. »Ernsthaft?! Aber du bist doch nur ein Kater!«
Meister de Murr machte einen Buckel und stellte die Haare auf. »Was soll denn das heissen? Ich habe Empfehlungen von König Drosselbart vorzuweisen!«
Ein breites Grinsen machte sich auf Miles Gesicht breit. »Schon gut, das ist doch toll.« Besser hätte er es doch eigentlich gar nicht treffen können!
Der Kater nickte, doch seine Schnurrhaare zuckten noch immer sichtlich pikiert. »Bitte – bedient Euch und kleidet Euch an. Frische Kleidung wurde bereitgelegt. In einer halben Stunde steht die Kutsche König Drosselbarts vor dem Tor des Dormitoriums, die Euch zum Inkoleum LaRuhs bringen wird. Dort wird der Rat seine heutige Sitzung abhalten.«
»Wird gemacht«, meinte Sabrina, die sich bereits über das Frühstück hermachte. Schon begann sie, sich etwas von dem Rührei in den Mund zu stopfen. »Und dankfe für daf Frühftück!«
»Keine Ursache.« Mit peitschendem Schwanz machte der Kater sich aus dem Zimmer. Dieses Mal erwischte er die Türklinke gleich beim ersten Sprung.

Alte Fassung (2): Twos - Ein Märchen von Sommer und WinterWhere stories live. Discover now