Teil 1.3

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Überwältigt ließ sie sich langsam in den Rasen sinken, starrte ins Nichts.
Insgeheim versuchte sie immernoch ihre verlorenen Erinnerungen hervorzurufen, doch es brachte alles nichts.
Eine Welle von Panik durchschoss ihren Körper und sie musste den Kloß in ihrem Hals fest hinunter schlucken, um nicht in Tränen auszubrechen.
Es machte ihr Angst, die Leere in ihrem Kopf, die Jungs, die Lichtung.

Erneut ging sie durch, was Alby ihr gesagt hatte.
Sie alle waren gefangen, also war es hier eine Art Gefängnis. Was hatte sie wohl getan, dass sie hier her geschickt wurde?
Jeden Monat gab es einen neuen, oder eine in ihrem Fall. Schien alles wie im Uhrwerk zu funktionieren.
Ihr Blick glitt über die arbeitenden Lichter. Der Begriff fühlte sich komisch an, fast schon falsch und schnell schüttelte sie sich kurz.
Lichter. Dachte sie erneut. Lichter.
Sie verzog kurz ihr Gesicht.

Alle schienen zu arbeiten. Einige starrten sie immernoch an, besonders ein Junge mit einem ziemlich viereckigen Kopf und unglaublich komischen Augenbrauen.
Jetzt fiel ihr auf, dass es der war, den sie vorhin auf den Boden gerissen hatte.
Aber es tat ihr nicht wirklich leid. Statt sich zu entschuldigen, beschloss sie ihn solange zurück anzustarren, bis er von sich aus den Blick ablenkte.
Und nach etwas über einer Minute hatte sie gewonnen.
Sie grinste kurz bevor sie sich hochhiefte und die Last der Realität wieder auf ihren Schultern spürte. Das Grinsen verblasst fast so schnell wie es gekommen war.

Ihre Augen erreichten die Mauern, die sie umgaben. Alby sagte, hinter ihnen sei ein riesiges, gefährliches Labyrinth.
Unbewusst hatte sie sich in Bewegung gesetzt um es sich Näher anzusehen. Obwohl er sie gewarnt hatte, nicht hinaus zu gehen, trug sie eine unglaubliche Neugier.
Kurz sah sie über ihre Schulter, aber es schien niemanden zu interessieren wo sie hinlief.

Ein paar Meter vor dem Eingang hörte sie plötzlich einen Schrei.
"HEY!" sie drehte sich nach rechts um die Quelle zu erkennen, doch jemand stieß sie zu Boden.
Reflexartig griff sie nach dem Tshirt des Jungen und zog ihn mit sich.
Sobald sie den Rasen berührte und die kleinen Steine in ihrem Rücken spürte, drehte sie sich herum und drückte den Jungen auf den Boden.

Kurz starrte sie ihn an, meinte nicht, sich an ihn zu erinnern.
Ein Asiate, vielleicht siebzehn, relativ kurze Haare, die ihm leicht in sein verschwitzes Gesicht hingen.
Seine Hände waren beide am Kragen ihres Tshirts verkrampft, doch auch er bewegte sich nicht.

"Was soll das?" fragte sie schließlich und merkte wie sie etwas schwerer atmete.
"Bist du irre?" gab er ihr als Antwort und stemmte sich hoch, sodass sein Oberkörper den Rasen verließ und sein Gesicht nur Zentimeter von ihrem entfernt war.
Mit einem Ruck beförderte sie ihn zurück in die Ausgangsposition.
"Was sollte das?" fragte sie erneut und platzierte ihre Hand auf seiner Brust um ihn unten zuhalten.
Ein Ausdruck von Überraschungen huschte über sein Gesicht, doch wieder antwortete er nicht.
Stattdessen drehte er sie beide herum und zog sie anschließend hoch um sie gegen die geschlossenen Mauer zu drücken.
Überrascht sog sie die Luft ein und versuchte ihre Wange von der kalten Steinmauer zu heben.
"Du solltest die Regeln befolgen." sagte er ruhig und lockerte seinen Griff etwas, damit sie ihren Kopf in Richtung des Eingangs drehen konnte.
Trotzdem spürte sie seine Hände, wie sie ihre Handgelenke auf ihrem Rücken zusammenhielten, aber in der nächsten Sekunde wurde es zur Nebensache.
Eine Art Kratzen ertönte, bevor sich eine Wand aus der Mauer löste und sich langsam und unglaublich laut auf die andere Seite zubewegte um den Eingang zu schließen.

Ihre Augen verfolgten das Geschehen ungläubig.
"Niemand hat eine Nacht da draußen überlebt." sagte der Junge hinter ihr und nickte in Richtung der sich bewegenden Mauer.
Sie spürte seinen Körper an ihrem und sein Atem in ihrem Nacken.
"Und ich nehme an, am ersten Tag zu sterben gehört nicht zu deiner To-do Liste."
Seine linke Hand löste sich von ihrer Haut und platzierte sie auf ihrer Schulter. Dann drehte er sie herum, hielt sie immernoch fest, sah ihr jetzt aber in die Augen.
"Und ich nehme an dein Wunsch zu sterben ist genauso gering wie meiner, also nimm deine Hände von mir." erwiderte sie schnippisch und bließ sich eine braune Strähne aus dem Gesicht.

Kurz drifteten sie weg, als sie realisierte, dass sie keine Ahnung hatte wie sie aussah.
Sie griff nach ihren Haaren und zog sie in ihr Sichtfeld.
Braune Locken wickelten sich um ihren Finger, die bis zur Mitte ihrer Brust fielen.
Sie trug eine hellbraune, Cargo jeans und ein dunkelblaues T-Shirt. Alles an mehreren Stellen verdreckt und mit Grashalmen bestückt.

Erneut sah sie auf, direkt in das etwas grinsende Gesicht des Jungen.
Mit einem Blick bedeutet sie ihm, endlich seine Hände von ihr zu nehmen und langsam tat er was sie wollte.
Viel zu langsam.

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