4) Zayn Kartontyp-Malik

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„Und? Wie ist die Lage heute?" Höflich trat der Kartontyp einen Schritt zur Seite, um mich auf den mit hässlichem, altmodischem Teppichboden ausgekleideten Flur zu lassen.

Alles in dieser Bruchbude war alt und halbarschig und hässlich, aber dafür war es eben preisgünstig – und ausreichend, zumindest für mich.

„Die Lage?", hakte ich vorsichtig nach. Hatte ich etwas verpasst? Oder stand ich einfach mal wieder auf der Leitung?

Höchstwahrscheinlich Letzteres. Ich war gut darin, auf der Leitung zu stehen.

„Ähm ..." Der Typ räusperte sich. „Geht es Ihnen besser? Gestern scheint für Sie kein guter Tag gewesen zu sein."

Die Frage erstaunte mich, und ich kam nicht umhin, ihm einen Seitenblick zuzuwerfen, obwohl ich es vermeiden hatte wollen, direkten Blickkontakt aufzunehmen. Die misslungene, katastrophale Erstbegegnung von gestern steckte mir noch zu tief in den Knochen.

Seine Augen waren braun und sanft und erinnerten mich ein bisschen an die eines Rehs.

Dann also besser ... der Reh-Typ?

Ich war entsetzt über mich selbst.

Nein. Ich musste so bald wie möglich seinen Namen in Erfahrung bringen. Koste es, was es wolle.

Dann erinnerte ich mich daran, dass er sich nach meinem Wohlbefinden erkundigt hatte.

„Mir geht's gut." Über meine Schulter hinweg warf ich ihm ein Lächeln zu, bevor ich mich an die völlig verdreckten Treppenstufen machte. Die hätte ich vermutlich schon vor drei Wochen mal wieder wischen – oder zumindest kehren – sollen, hatte aber nie genug Energie dafür aufbringen können. Ein Vorteil, wenn man die Treppe als einziger Mieter im ersten Stock allein benutzte: Es gab niemanden, der sich darüber beschwerte, wenn man sie mal nicht im Abstand von zwei Wochen putzte. „Danke fürs Nachfragen."

„Kein Problem." Er klang tatsächlich erleichtert. „Ich habe gestern kurz befürchtet, ich muss meine lückenhaften Kenntnisse aus dem Erste-Hilfe-Kurs damals in der Schule wieder auspacken."

Darüber musste ich grinsen. „Keine Sorge. So weit hätte ich es nicht kommen lassen."

Ich konnte ihn hinter mir zwar nicht sehen, aber ich hörte sein Schnauben. „Ich bezweifle es. Sie haben ja sogar noch angeboten, mir beim Tragen zu helfen."

Meine Reaktion bestand aus einem Achselzucken. „Selbstdestruktives Helfersyndrom."

„Okay." Nun klang er beeindruckt. Und auch ein wenig verstört. Schon wieder. „Alles klar."

Eine kurze Pause trat ein, als wir auch die Kellertreppe zurückgelegt hatten und unter meiner Führung die massive Tür zum Heizungskeller erreichten. Prüfend tastete ich den Türrahmen ab und gab ein zufriedenes Grunzen von mir, als sich meine Finger zielgerecht um den Schlüssel schlossen, den Calvert dort lagerte.

„Bingo."

Der Kartontyp lächelte nur hilflos.

Gemeinsam betraten wir den Raum, und obwohl ich nicht meine dünnen Hausschuhe, sondern meine sommerlichen Sneaker mit einigermaßen dicker Sohle trug, spürte ich fast sofort, wie die eisige Kälte des fleckigen Fliesenbodens bis zu meinen Füßen hindurchdrang.

Hier unten war es grundsätzlich schrecklich kalt, egal zu welcher Jahreszeit. Die Isolierung der Heizungsrohre, von denen man eigentlich eine wärmende Wirkung erwarten würde, musste unfassbar sein.

Mein neuer Nachbar trat neben mich an die Leitungen, begutachtete mit zusammengezogenen Augenbrauen die Beschriftungen an den Hebeln und Hähnen.

Die Gelegenheit für mich, ihn heimlich zu scannen.

Oblivious (Ziall)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt