45) Wendepunkte - 2

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Achtung, Doppelupdate :-)

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Das Labor besaß keinen besonderen Wiedererkennungswert. Die Gestaltung glich sich mit der aller anderen Labore, die ich bisher zu Gesicht bekommen hatte: Schlicht, ordentlich, steril.

Farblich glänzte es überwiegend mit Weiß, Hellgrau und Blau sowie mit zahlreichen Flächen aus Glas. Das Licht stammte von deckenintegrierten Leuchten, die in regelmäßigen Abständen im gesamten Raum verteilt waren und offenbar per Drehschalter in ihrer Helligkeit geregelt werden konnten.

Ein Stoß von Reuben brachte mich dazu, mich in Bewegung zu setzen. Ken stand bereits an der entfernteren Wand über einen der Glaskästen gebeugt, eine Hand noch immer an der Waffe, während die andere sein Smartphone emporhielt – offenbar konnte er es sich nicht entgehen lassen, ein paar Fotos zu schießen.

Ein Blick nach links bestätigte mir, dass auch Anne sich in widerstrebender Neugier den zahllosen Ampullen und Fläschchen gewidmet hatte, die zwischen Mikroskopen und allerlei merkwürdigen Gerätschaften auf der blitzblank geputzten Anrichte standen.

Die Schubladen darunter strahlten in ebenso makellosem Weiß, lediglich für die Griffe sowie die Ränder der Anrichte hatte man ein sattes Blau gewählt. Ein Blau, das sich mit dem der Untersuchungslampe glich, die Anne in diesem Moment aktivierte. Als Ärztin fand sie sich in einem medizinischen Labor wie diesem natürlich fabelhaft zurecht.

Auch auf der anderen Seite befanden sich Möbelstücke in Weiß und Blau, doch dort handelte es sich nicht um Untersuchungstische oder -kästen, sondern um Schreibtische mit mehreren Monitoren, Tablets und einem riesigen Multifunktionsdrucker.

„Die Enzympräparate." Kens Murmeln verlor sich im Raum. Seine Finger pressten sich gegen den Deckel des Glaskastens. „Eine ganze Armee davon. Wer weiß, woran Quinn hier sonst noch forscht."

Ich löste meinen Blick von Anne, die ein Reagenzglas begutachtete, und trat zu Ken an den Glaskasten heran. Zahllose Petrischalen häuften sich darin, manche fast leer, während andere den Eindruck erweckten, als könnten sie jeden Moment gesprengt werden. Aber eine Sache hatten sie alle gemeinsam: Sie wirkten alles andere als appetitlich.

Als Ken den Deckel des Schaukastens zurückschob, konnte ich mich nicht zusammenreißen und streckte reflexartig die Hand nach einer der Petrischalen aus.

„Wow." Überrascht zuckte ich zurück, ehe ich sie berühren konnte. „Das ist ja wie im Brutkasten."

„Kein Wunder." Annes Stimme erklang so unerwartet nahe an meinem Ohr, dass ich zusammenfuhr. „Enzyme brauchen eine bestimmte Temperatur, bei der sie ihr Aktivitätsoptimum erreichen. Diese hier werden für den menschlichen, gleichwarmen Organismus entwickelt." Suchend bückte sie sich nach einer Anzeige. „Ich schätze, dass die Temperatur auf circa siebenunddreißig Grad eingestellt sein dürfte."

Ken applaudierte leise. „Und exakt aus diesem Grund haben wir dich dabei. Hervorragend!"

Mit säuerlichem Gesicht richtete Anne sich wieder auf, vergrub die Hände in den Taschen ihrer schwarzen Jeans. „Letztendlich wissen wir aber trotzdem nicht, ob es sich hier wirklich um die Enzymforschung handelt. Quinn könnte..."

„... an allerlei anderem Bullshit feilen", vollendete Ken ihren Satz in so provokativem Tonfall, dass ich ihm an Annes Stelle vermutlich eine gescheuert hätte. „Ich weiß. Aber seien wir ehrlich: Nichts, was Quinn entwickelt, kann auch nur ansatzweise positiv sein. Kein großer Schaden wird entstehen, wenn wir einfach diesen ganzen, blöden Kasten über den Haufen werfen."

Ehe er etwas dergleichen tun konnte, stieß Anne ihn zur Seite. „Bist du irre? Wenn wir hier ein riesiges Chaos veranstalten, riskieren wir einen sofortigen Zugriff der OOA auf sämtliche Oblivious-Standorte, die ihnen bekannt sind. Und ich schätze, das sind eine ganze Menge." Ihre Nasenflügel blähten sich. „Darunter wohl auch das St. Hedwigs."

Oblivious (Ziall)Where stories live. Discover now