34) Stille

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Stille.

Das Erste, was ich beim Betreten des Verhörraumes bemerkte. Und es war keine der angenehmen, entspannenden Sorte, sondern eine, die meine Alarmbereitschaft auf ein absolutes Höchstmaß steigen ließ.

Unruhig warf ich einen Blick über die Schulter zurück zu Harry, der noch im Gang stand, hätte ihn am liebsten angebettelt, mich zu begleiten, doch natürlich durfte er das nicht.

Ein Gespräch unter vier Augen. So lautete Zayns Forderung.

Wie zum Henker Zayn überhaupt in die Position gelangt war, hier irgendwelche Forderungen zu stellen, blieb mir ein Rätsel. Sollte er nicht eigentlich der hilflose, ausgelieferte Gefangene sein?

Das mulmige Gefühl in meinem Magen rumorte so stark wie noch nie zuvor, doch ich zwang mich dazu, mich endgültig in den kahlen, grauen Raum zu schieben und die Tür hinter mir zu schließen. Mit einem tiefen Atemzug drehte ich mich um – und da war er auch schon.

Zayn.

Zayn Malik, mein ehemaliger Nachbar. Und offenbar auch ein ausgebildeter Agent der OOA, der auf mich angesetzt worden war, um mich zu überwachen. Und um mich zu ... nun ja. Ich wusste noch immer nicht, was er mit mir gemacht hätte, wäre er mit seiner Spritze erfolgreich gewesen.

Jedenfalls saß er dort an dem schmalen, stählernen Tisch in der Mitte des Raumes, die mit Handschellen fixierten Hände vor sich gefaltet und mit dem ausdruckslosesten Gesicht, das ich je von ihm gesehen hatte.

Nach außen hin könnte man meinen, dass ihn seine eigene, missliche Lage nicht im Geringsten juckte. Dass ihm sein Schicksal am Allerwertesten vorbeiging, wie er so entspannt in seinem Stuhl lümmelte, die Beine unterm Tisch überschlagen, und gelangweilt die Kette der Handschellen befühlte.

Doch mich konnte er nicht täuschen. Ein einziger Blick in seine Augen reichte mir vollkommen, um seine ruhige, lässige Fassade zu durchschauen. Er war besorgt. Sehr besorgt.

Zu Recht. Immerhin wussten weder er noch ich, was Ken und die Cognizant-Rebellen mit ihm vorhatten. Mit ihm, einem OOA-Agenten.

Ich bezweifelte, dass auch nur ein einziger Cognizant hier ein Fünkchen Mitleid für ihn aufbringen würde, sollte es ihm an den Kragen gehen, ganz gleich, auf welche Art.

Zayns durchdringender Blick brannte förmlich auf mir, als ich mich ihm langsam näherte, fast schon andächtig den zweiten Stuhl unter dem Tisch hervorzog und mich darauf niederließ, das Quietschen der Stuhlbeine das einzige Geräusch in der Stille.

Meine Handflächen waren schweißnass. meine Finger zitterten unkontrolliert, und ich musste sie ineinander verschränken, um sie zur Ruhe zu bringen. Dann erst brachte ich es über mich, Zayn einer näheren Inspektion zu unterziehen.

Er war die Zerschlagenheit in Person. Sein sonst so sorgfältig frisiertes, tintenschwarzes Haar hing in wilden Strähnen in alle Richtungen, sein ebenso schwarzes Shirt saß mehr schlecht als recht, und in seinem Gesicht prangten zahlreiche Schrammen und Kratzer, die auf einen harten Kampf hinwiesen.

Die für ihn charakteristische Lederjacke, die hinter ihm über der Lehne des ungemütlichen Stuhls hing, wirkte zerschunden und verknittert, aber wenigstens hatte man sie ihm nicht komplett abgenommen.

Und dann hätte ich mich am liebsten getreten.

Hatte ich etwa tatsächlich Mitleid mit ihm? Als wäre er mein Verbündeter oder mein Freund?

Völliger Bullshit.

Zayn Malik mochte ja vieles sein, aber er war definitiv nicht mein Verbündeter, noch weniger mein Freund. Allerspätestens, nachdem er eine Spritze gegen mich gezogen hatte, um sie mir, ohne mit der Wimper zu zucken, in den Nacken zu schlagen, sollte mir das endgültig bewusst sein.

Oblivious (Ziall)Where stories live. Discover now