53) Um Haaresbreite

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Und dann explodierte die Welt um mich herum.

Zumindest fühlte es sich so an. Und es klang auch so.

Ich bekam nur noch mit, wie die Tür aufflog und ein Gegenstand klappernd irgendwo in der Nähe der Couch landete, dann fegte auch schon ein Wahnsinnsknall über uns hinweg und ließ meine Trommelfelle erbeben.

Ken fuhr hoch, das Messer nach wie vor an meinem Hals und einen wilden Ausdruck im Gesicht. Seine sonst so gepflegte Frisur löste sich nach und nach aus ihren Strukturen, hing ihm in verklebten, blondgrauen Haarsträhnen in die Stirn.

Es wäre so leicht, ihm mittels bloßer Willenskraft das Messer zu entreißen. Es aus dem Fenster fliegen zu lassen oder ihn selbst damit zu bedrohen.

Aber ich konnte nicht. Der dämpfende Stoff in meinem Blut leistete ganze Arbeit.

Stimmen wurden laut. Menschen strömten in den Raum, Kampfgeräusche und Gebrüll folgten, Schüsse fielen. Und dann breitete sich plötzlich wie aus dem Nichts dunkler Rauch im Raum aus, legte sich über uns wie eine Decke, und sofort fiel mir das Atmen zunehmend schwerer.

Die Klinge löste sich von meinem Hals, wurde ersetzt von Kens Bartstoppeln, die mich an der Wange kratzten.

„Wir sind hier noch nicht fertig."

Nach dieser gewisperten Warnung sprang er auf und ließ die Waffe so schnell verschwinden, wie er sie hervorgezogen hatte, und ging nahtlos dazu über, Befehle zu schreien. Schritte trampelten um mich herum, Personen hechtete über mich hinweg, Gegenstände fielen zu Boden.

Ächzend rollte ich mich auf die Seite, zog meine schmerzenden Arme an meinen Körper heran. Alles um mich herum drehte sich und schwankte unaufhörlich, und machte den Schwindel natürlich nicht besser. Und dann hing da immer noch dieser merkwürdige Dampf in der Luft, der unbarmherzig in meine Lungenwege vordrang, den wertvollen Sauerstoff verdrängte und mein Bewusstsein schummrig werden ließ.

Kurz entschlossen kniff ich die Augen zu.

Was auch immer jetzt passierte – ich hatte kein Interesse daran, es detailliert mitzuverfolgen.

Eine Berührung an der Schulter ließ mich zusammenzucken, im nächsten Moment beugte sich jemand über mich. Der Neuankömmling sprach nicht, doch die sanfte Hand an meiner Wange ließ mich wissen, dass er mir freundlich gesinnt war.

Mein Kopf wurde angehoben, dann wieder hingelegt, gefolgt von einem fremden Gewicht auf meinem Gesicht. Etwas stülpte sich über Mund und Nase, und instinktiv wollte ich danach greifen und es von mir reißen, doch dann ging mir auf, dass meine Atemzüge plötzlich wieder Sauerstoff in meine Lungen zu befördern schienen.

Eine Atemschutzmaske?

Nur ... wofür? Handelte es sich bei diesem dunklen Qualm um einen bestimmten Stoff? Einen, der nicht für mich gedacht war? Betäubungsmittel?

Egal.

Gierig sog ich durch die Maske den wertvollen Sauerstoff ein, musste prompt husten. Bei den krampfhaften Bewegungen des Kehlkopfes schmerzte mein Hals wie die Hölle – offenbar befand sich irgendwo auf dieser Höhe die Schnittwunde von Kens Messer.

„Ganz ruhig", meldete sich eine samtene, höchst vertraute Stimme zu Wort. „Komm. Wir müssen los."

Zayn. Das war Zayn.

Ein Strudel aus wirren, zum Teil völlig nutzlosen Gedanken verwandelte meinen Kopf in ein Schlachtfeld, gesellte sich zu der freudigen Erleichterung über seine Anwesenheit.

Hastig riss ich die Augen auf und wurde wie erwartet mit den braunen von Zayn belohnt – das Einzige, was man hinter seiner eigenen Atemschutzmaske von seinem Gesicht erkennen konnte. Ich wagte einen kurzen Rundumblick, den ich jedoch sofort wieder beendete, als mir aufging, dass ringsum bewegungslose Körper herumlagen.

Oblivious (Ziall)Where stories live. Discover now