55) Probleme

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"Hey."

Beim Klang von Annes Stimme schälte ich mein Gesicht aus Harrys Decke – und schrak im nächsten Moment ruckartig hoch, als ich über ihre Schulter hinweg niemand Geringeren als Zayn entdeckte.

Dessen kritischer Gesichtsausdruck sprach Bände, doch er sagte nichts. Er verharrte mit in den Hosentaschen vergrabenen Händen in der Tür, während Anne auf mich zukam, um mich in eine feste Umarmung zu schließen.

„Hi", murmelte ich in ihre Schulter, erlaubte mir, den kurzen Moment der geliehenen Mütterlichkeit zu genießen. „Alles in Ordnung?"

Ihr Körper vibrierte, als sie leise lachte. „Kommt auf deine Definition von Ordnung an. Es könnte besser sein, aber den Umständen entsprechend bin ich zufrieden."

Irgendetwas an ihrem Tonfall brachte mich dazu, die Umarmung vorzeitig zu beenden, um sie forschend anzusehen. Im Gegensatz zu vorher wirkte das Grün ihrer Iriden wieder lebendig und klar, die dunklen Ringe unter ihren Augen etwas schwächer.

Ihre Haare thronten in einem unordentlichen Knoten auf ihrem Kopf, wobei einzelne Strähnen zerzaust und leicht fettig in alle Richtungen abstanden. Sicherlich hatte sie viel zu oft ihre Finger hindurchgleiten lassen.

„Welche Art von Besprechung war das denn eben?", erkundigte ich mich so beiläufig wie möglich, während ich versuchte, Zayns stechenden Blick zu ignorieren. „Ich hatte vorhin eine mit Quinn. Sehr aufschlussreich. Und sehr schockierend."

Anne lachte ein wenig zu atemlos und fuhr sich mit der flachen Hand übers Gesicht – und aus irgendeinem Grund hegte ich den Verdacht, dass sie nur Zeit gewinnen wollte, um die Antwort ein wenig hinauszuzögern.

Aufschlussreich trifft es gut", gab sie schließlich zurück. „Ich ... ich bräuchte jetzt dringend etwas Hochprozentiges." Abrupt wandte sie sich um. „Zayn, habt ihr hier Vodka?"

Zayns Grunzen brachte nicht gerade Begeisterung zum Ausdruck. „Nimmst du auch Desinfektionsmittel?"

„Anne?" Fast schon ängstlich griff ich nach ihrem Arm. „Was ist passiert?"

Die Ärztin schien kurz vor einem Anfall zu stehen, doch sie nahm sich zusammen, atmete tief durch. Zayns dummen Einwurf mit dem Desinfektionsmittel ignorierte sie gekonnt.

„Nichts. Wirklich." Sie schenkte mir ein gezwungenes Lächeln. „Ich muss nur mit mir selbst klarkommen. Meinen Kopf ordnen. Ein paar Dinge begreifen."

„Dinge?" Unzufrieden ließ ich zu, dass sie mich umrundete und meinen ursprünglichen Platz an Harrys Seite einnahm. „Welche Dinge?"

„Ist er zwischendurch nochmal aufgewacht?", würgte sie den Rest meiner Fragen resolut ab. „Hat er noch einmal etwas gesagt?"

Mühsam schluckte ich meinen Frust hinunter. „Nein."

„Obwohl du die ganze Zeit seine Hand gehalten hast?" Zayn sprach gerade laut genug, dass ich ihn hörte, Anne wohl aber nicht. „Erstaunlich. Sollte man meinen, dass ihn deine bloße Berührung zurück in die Welt der Lebenden holt."

Ich traute meinen Ohren kaum.

„Zayn, was zur Hölle?", murmelte ich in seine Richtung. „Hör auf damit."

Der Angesprochene presste die Lippen aufeinander, bevor er steif ein Stück zur Seite trat und somit den Weg auf den Gang freigab.

„Herausspaziert, Prinz Oblivious." Eine spöttisch-einladende Handbewegung folgte. „Ich habe den Auftrag, dir jemanden vorzustellen."

Ich rührte mich nicht von der Stelle. „Wen?"

Anne hielt die Augen starr auf Harry gesenkt, die Finger so sehr um seine Hand verkrampft, dass ich befürchtete, sie könnte sie ihm brechen.

Oblivious (Ziall)Where stories live. Discover now