59) Labor-Date

165 33 66
                                    

Als ich aufwachte, war es mitten in der Nacht.

Hinter dem Fenster gähnte mir Finsternis entgegen, gespickt von den Lichtern der unbekannten Kleinstadt um uns herum. Unbekannt, ja. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hatte man es nicht für nötig gehalten, mir gegenüber den Namen zu erwähnen, aber offen gesagt hatte ich mit damit kein Problem. Ich wusste, dass wir hier in Sicherheit waren, zumindest vorübergehend, und das reichte mir für den Moment völlig aus. Es musste reichen.

In einem seltsamen Anflug von Energie schob ich mich aus dem Bett. Ich trug noch immer die Jeans und das mittlerweile lächerlich zerknitterte T-Shirt von gestern, lediglich die Schuhe musste ich mir wie ferngesteuert noch überziehen, dann verließ ich das Zimmer.

Lautlos trafen die Sohlen meiner Sneakers auf den weichen Teppichboden, als ich ein paar Schritte in den Flur hineinging, nur um dann unschlüssig auf der Stelle zu verharren.

Wohin zog es mich eigentlich? Wäre ich zu Hause, würde ich nun schnurstracks in die Küche spazieren und mir dort einen Snack gönnen, aber das kam hier natürlich nicht in die Tüte. Zwar besaß Maura Gallagher eine kleine Küche und hatte mir auch versichert, mich jederzeit an den Vorräten bedienen zu dürfen, aber ... nun ja. Dafür fühlte ich mich hier eindeutig noch nicht wohl genug. Und auch noch nicht Sohn genug.

Kurz entschlossen schob ich mich durch die schwere, verglaste Tür, die ins Treppenhaus hinausführte. Mein Gefühl sagte mir, dass es hier einen bestimmten Ort gab, an dem ich garantiert eine bestimmte Person antreffen würde.

Darauf bedacht, so wenig Lärm wie möglich zu verursachen, machte ich mich auf den Weg ins Untergeschoss. Ich wusste nicht, wie viele Leute sich über Nacht hier aufhielten, aber nach dem zu urteilen, was Maura und Quinn erzählt hatten, waren es definitiv mehr als eine Handvoll. Schon allein die ganzen Wächter, die man für Mauras Schutz angeheuert hatte. Wo auch immer die sich herumtrieben.

Wie organisierte Quinn das alles nur? Einerseits der führende Kopf der OOA zu sein, andererseits aber mit den Mutanten eng zusammenzuarbeiten und ihnen Unterschlupf zu gewähren?

Ich meine, ich hatte so viel begriffen, dass das hier nicht der Hauptsitz der OOA war, sondern nur eine Außenstelle – offiziell eine sehr unbedeutende Außenstelle, die kein gewöhnlicher OOA-Agent einfach so aufsuchen würde. Quinn hielt seine beiden Tätigkeitsbereiche in räumlicher Hinsicht also sorgsam voneinander abgetrennt.

Trotzdem erschien es mir eine schreckliche Gratwanderung zu sein. Sollte der radikale Teil der OOA seine Doppelrolle jemals herausfinden, würden sie in all ihrer Wut wohl nicht davor zurückschrecken, ihren Spitzenforscher einfach über den Haufen zu schießen.

Leise schloss ich im Keller die Tür des Treppenhauses hinter mir, sah mich suchend um.

Bingo.

Wie erwartet drang durch den Schlitz unter der Labortür noch Licht auf den Gang, ließ das helle Laminat schwach reflektieren. Irgendjemand stürzte sich zu später Stunde noch auf die Mikroskope.

Irgendjemand.

Quinn war es definitiv nicht, denn der war heute Abend erst zu einem Termin aufgebrochen, also konnte es sich nur um die zweite, enzymforschungsversessene Person hier handeln.

Die Tür war nur angelehnt, also verzichtete ich darauf, höflich anzuklopfen, sondern trat direkt ein.

„Moment." Die Person, die an der gegenüberliegenden Seite des Raums an einem PC saß, wandte sich um. „Hier ist für Unbefugte kein..."

Kurze Pause.

„Niall?"

Verlegen schloss ich die Tür hinter mir. „Hi, Zayn."

Oblivious (Ziall)Where stories live. Discover now