☆Shadow - 22☆

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Diesmal zitterten nicht nur Stephens Hände, sondern sein ganzer Körper fing an zu beben. Als er seine Wohnungstür ins Schloss fallen hörte, drehte dieser sich auf der Stelle um. Was hatte er sich erhofft? Sie war weg, er hatte sie gehen lassen, denn schließlich war es seine Entscheidung gewesen! Auf der Stelle ging der sonst so ruhige Doktor zu seiner Vitrine und holte den besten Scotch heraus, den er besaß. Er goss sich einen Schluck ein und im selben Moment brannte das Getränk unangenehm in seiner Kehle. Sofort wiederholte er den Ablauf und stützte sich dabei auf dem Tisch ab. Was dachte sich Stephen in diesem Moment? Dass er seine Gefühle einfach in Alkohol ertränken könnte? Fest umklammerte er sein Glas und kam sich sofort so lächerlich vor. Wütend presste er seine Lippen aufeinander und warf das Getränk gegen die nächste Wand. Wo es in einem unzähligen Scherbenhaufen zerbrach und klirrend zu Boden fiel. Er vergrub seine Hände tief ins Gesicht und taumelte zum großen Sofa, auf das er augenblicklich versackte. Stützend legte er seine Ellenbogen auf die Knie. Er kauerte sich zusammen und sofort kamen die Erinnerungen an Jenna in ihm hoch, weshalb er schnell seine Augen öffnete und sich seufzend in die Kissen lehnte. Stephen war in diesem Moment so zerrissen, blickte stumm auf den Scherbenhaufen und könnte sich innerlich Backpfeifen. Er würde sie nicht alleine lassen, niemals. Weshalb es ihm so unglaublich schmerzte, sie gehen zu lassen. Sie hatten beide das Wesentliche vergessen, was gerade er bewahren musste, auch wenn es den Doktor mehr belastete, als er es zugeben wollte. Früher oder später könnte sie seine Entscheidung nachvollziehen, wie er auch hoffte, dass er es selber verstehen würde. Stephen beschloss nach all den Strapazen, sich endlich mal eine Nacht Ruhe zu gönnen. Monoton stand er auf. Spürte wie einzelne Scherben unter seinen Schuhen zerbrachen und lief gedankenverloren ins Schlafzimmer. Langsam zog er sich seine Gewänder aus und magisch blieben diese in der Luft schweben. Nur in Boxershorts legte er sich ins Bett und sah verträumt aus dem großen Fenster. Jennas süßlicher Duft befand sich immer noch auf dem Kopfkissen und genießerisch atmete er diesen ein. Er drückte sein Gesicht tief in die Kissen und mit jedem Atemzug schien sich sein Inneres ein wenig zu beruhigen, weshalb er nach langem Hin und Her endlich einschlafen sollte.


Dachte er denn mitten in der Nacht wachte Stephen schweißgebadet auf. Kerzengerade saß er in seinem Bett. Das Mondlicht schien in sein Zimmer und gab dem Ganzen ein noch trüberes Aussehen, spiegelte aber genau sein inneres wider. Obwohl er einige Stunden geschlafen hatte, fühlte er sich überhaupt nicht erholt. Ganz im Gegenteil, er blickte auf seine Armbanduhr, die er vor einer ganzen Weile schon auf seinen Nachttisch gelegt hatte und seitdem nie wieder um machte. Lange hatte er nicht mehr an Christine gedacht. Er hatte genau dasselbe mit ihr gemacht, wie jetzt bei Jenna. Um alle Menschen, die ihm etwas bedeuteten, Errichtete er eine imaginäre Mauer, um sich und die Gefühle der anderen zu schützen. Auch wenn ihm Christine gewiss noch etwas bedeutete, fühlte es sich bei Jenna tausendmal schmerzhafter an. Wie eine große Wunde riss der Gedanke, dass sie sich komplett von ihm distanzieren könnte, ein Loch in Stephens Herzen. Nein, so was durfte er nicht denken. Der Doktor musste sich irgendwie ablenken, doch dies war nicht so einfach wie gedacht. Verträumt sah er zum Mond, egal wie oft er versuchte, seine Gedanken zu sortieren, musste er jede Sekunde an ihre blauen Augen denken. Wie enttäuscht sie ihn angesehen hatte. Er presste seine Hände auf sein Gesicht. Wie kann man jemanden so vermissen? Stephen war ein Idiot, er würde sowieso kein Auge mehr zu machen. Ob Jenna in diesem Moment auch an ihn dachte?

Strange sah erneut auf die Uhr und beschloss, dass die paar Stunden Schlaf genug für ihn gewesen waren. Er taumelte ins Badezimmer und gönnte sich eine ausreichende Dusche, bevor er zu seinen Schülern nach Nepal zurückkehrte.

Mit einem kalten Ausdruck auf seinem Gesicht lief er durch die Gänge des Kamar-Taj, einzelne Schülergruppen unterhielten sich angeregt, als sie sich auf dem Weg zu ihren Unterrichtsstunden machten. Mit der Zeit Verschiebung hatte der Doktor nach all den Jahren immer noch zu kämpfen.

"Guten Morgen, Meister Strange!" Begrüßte ihn eine bekannte Frauenstimme und augenrollend drehte er sich zu ihr um.

"Luna, wie oft muss ich es noch sagen, es heißt Dr. Strange!" Fest umklammerte das Mädchen einzelne Bücher, die sie sich zuvor aus der Bücherei geliehen hatte, was ihn sofort an Wong erinnerte. Ob dieser schon etwas herausgefunden hatte? Verlegen sah sie zu ihrem Lehrer auf, als Luna seine schlechte Laune bemerkte. Sie fand ihn schon immer faszinierend und sein unglaubliches Wissen samt Talent begeisterte sie und motivierte Luna zeitgleich eine genauso gute Magierin zu werden, wie er es war.

"Sonst noch etwas?" Mürrisch sah er seine Schülerin an, er wollte keine lächerlichen Konversationen führen, es gab Wichtigeres, auf das er sich jetzt hätte konzentrieren müssen. Als sie anfing, vor sich hin zu stammeln, drehte Stephen sich um und ließ die junge Frau hinter sich. Doch so leicht sollte er Luna nicht abhängen, sie holte den Abstand zu ihrem Lehrer auf und lief strammen Schrittes neben ihm her.

"Nun ja, wir beide wissen, dass ich ihre beste Schülerin zurzeit bin, weshalb ich der Meinung bin, dass ich mir ebenfalls einen freien Nachmittag verdient habe!" Stephen sah sie nicht an, sein Blick arrogant nach vorne gerichtet. Doch wusste er, dass das Mädchen auf Jenna anspielte.


"In Ordnung!" Antwortete er kühl, da er keine Lust auf Diskussionen hatte und hoffte, dass Luna ihn nun in Ruhe lassen würde. Überrascht über seine Antwort blickte sie ihn an.

"Danke! Nur habe ich gehofft, dass sie mich vielleicht ebenfalls begleiten würden?" Luna hatte es viel Mut gekostet, ihren Lehrer nach einem Date zu fragen. Doch als sie ihn damals gesehen hatte, war es bereits um sie geschehen und dazu kam noch, dass Strange der Grund war, wieso Luna sich auf das Ganze hier eingelassen hatte. Strange blieb stehen und drehte sich zu seiner Schülerin um, die ihn hoffnungsvoll anblickte.


"Luna, du bist eine talentierte junge Frau und ich weiß dein Interesse durchaus zu schätzen, doch es würde nie funktionieren und zurzeit habe ich auch andere Sorgen!" Versuchte Strange sich so höflich und dennoch direkt auszudrücken. Luna hatte schon damit gerechnet, schließlich sahen alle, dass seit dem Jenna hier war, Stranges Gedanken sich nur noch um das Mädchen drehten. Weshalb Luna von Tag zu Tag mehr einen unglaublichen Hass gegenüber der Bändigerin hegte. Sie gab täglich ihr bestes und ihr Lehrer hatte nur Augen für die untalentierte Jenna. Dabei war er es doch selber, der so einen großen Wert auf Erfolg und Disziplinen legte, was er mit der Bändigerin nie erreichen würde!
Enttäuscht biss Luna ihre Zähne aufeinander. Sie hatte die Schnauze voll und würde Strange schon noch beweisen, wer die Beste von den beiden war! Ohne etwas zu erwidern, ließ sie ihren Lehrer stehen und machte sich auf den Weg zum Trainingsgelände, dass Jenna dort bereits wartete.

Verdutzt sah Stephen ihr nach und als sein Blick wieder Lunas Bücher fixierte, machte er sich auf der Stelle auf dem Weg zur Bücherei.

Shadow (Dr.Strange FF - Buch 1)Where stories live. Discover now