☆Shadow - 49☆

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Jenna erwachte friedlich, doch als sie ihre Erinnerungen sortierte, schreckte die Bändigerin aus den weichen Kissen hervor. Es war dasselbe Zimmer, wo sie schon einmal erwacht war, als Andras sie hier zu sich gebracht hatte. Und wieder trug sie das weiße Kleid. Sofort erinnerte sie sich an das Bild, was sie kurz vor ihrer Bewusstlosigkeit gesehen hatte. Sie im Hochzeitskleid und an ihrer Seite im weißen Anzug, nicht Stephen, sondern Andras. Der Dämon begehrte sie, wollte ihr näher sein wie sonst bei keinem anderen Menschen. Doch genau dieser Moment, als Andras ihr seine Gefühle offenbarte, hatte sie wachgerüttelt. Das Bild im Spiegel war ein Schock für Jenna gewesen, es hatte sich falsch angefühlt. Er war eben nicht Stephen. Ohne lange zu überlegen, sprang die Bändigerin aus dem Bett und wäre fast über ihre eigenen Füße gestolpert, als sie vorsichtig die schwere Tür öffnete. Auf Zehenspitzen lief Jenna den langen Flur entlang und sah neugierig übers Geländer nach unten. Doch von dem Dämon fehlte jede Spur. Die perfekte Gelegenheit und vielleicht auch die einzige Chance, sich in Andras Privaträumen ungestört umzusehen. Krampfhaft versuchte Jenna sich zu erinnern, wo der Raum mit dem großen Spiegel war, sie wollte sich vergewissern, ob sie es vorhin richtig gesehen hatte, was sie zu vermuten versuchte.

Wie eine Katze schlich die junge Frau durch das große Gebäude, wobei sie bei jedem neuen Raum Angst hatte, Andras könne jeden Moment vor ihr stehen. Knarrend öffnete sie die nächste Tür und war endlich richtig angekommen. Ein fast leerer Raum in der Mitte war nur dieser eine Spiegel. Als Jenna sich diesem näherte, spiegelte er ihr Bild und wieder erwischte sie sich dabei, wie sie sich begeistert betrachtete. Doch schnell konzentrierte sie sich wieder auf das wesentliche und betrachtete den alten Holzrahmen, der ihr zwar beim ersten Mal aufgefallen war, sie jedoch jetzt mehr Zeit hatte, sich diesem zu widmen.


Links oben in der Ecke war ein Zeichen zu sehen. Aus dem Buch, was Wong ihr gezeigt hatte, wusste sie, dass es das Zeichen für Feuer war. Rechts in der Ecke war das Wasser Zeichen und unten am Spiegel schließlich Erde und Luft. Das konnte kein Zufall sein. Man erzählte sich zwar, dass es einen Käfig gab, doch was, wenn der Käfig gar nicht so aussah, wie man vielleicht erst vermutete. Sondern er in Wahrheit dieser Spiegel hier war, zumindest waren die Zeichen recht ähnlich, wie sie auch im Buch zu sehen waren.

"Jenna ..." Diese erschrak, als eine Stimme aus dem Spiegel zu ihr flüsterte.

"Dein Name ist doch Jenna, oder etwa nicht?" Ruhig sprach die ihr unbekannte Stimme, doch die Bändigerin antwortete nicht. Sie streckte ihre Hand aus, um das Glas am Spiegel zu berühren, als plötzlich Andras neben ihr stand und ihr Handgelenk umfasste.

"Was tust du hier?" Zischte er sie an und geschockt sah Jenna zu dem Dämon. Sein Griff wurde lockerer. Andras räusperte sich, als er die Frage in einem ruhigeren Ton wiederholte.

"Ich habe eine Stimme gehört!" Entschied diese sich ihm die Wahrheit zu sagen, immerhin konnte sie ihm schlecht erklären, was ihre wahren Absichten waren.

Denn dem Feind zu berichten, man suche nach einer Möglichkeit, diesen endgültig loszuwerden, würde Andras wahrscheinlich nicht so gut gefallen.

Doch diese Information reichte dem Dämon schon aus, dass er fast die Fassung verloren hätte. Würden Jennas blaue Augen ihn nicht immer wieder daran erinnern, was er für sie empfand, weshalb er sich die Mühe gab, so gelassen wie möglich zu wirken.

"Näher dich nie wieder diesem Spiegel, ohne das ich dabei bin, hast du verstanden?" Stumm nickte Jenna auf und ab.

"Was ist mit dem Spiegel?" Fragte sie neugierig nach in der Hoffnung Andras würde es ihr vielleicht mitteilen. Der Dämon kniff seine Augen kurz zusammen, er rang mit sich selbst. Doch er wollte das Jenna wissen sollte, dass er es durchaus ernst meinte und dafür musste er ihr voll und ganz vertrauen. Denn so würde sie ihm auch besser vertrauen können.

"Der Spiegel ist ein Tor zu einem Ort abseits im Exil. Niemand hat es jemals dort heraus geschafft."

"Also ist jemand dort drin gefangen?"

"Mag sein!" Wimmelte er ihre Frage gelangweilt ab.


"Was haben die Zeichen zu bedeuten?" Ohne von ihm abzusehen und ohne ihre Mimik zu ändern, sah Jenna den Dämon an. Er wusste nicht wieso, doch irgendetwas ließ Andras stutzig werden.

"Ich habe gehofft, du könntest es mir sagen!" Log er diese an, um ihre Reaktion abzuwarten. In Gedanken musterte Jenna erneut den Spiegel. Was sollte sie denn jetzt sagen? Würde er es bemerken, wenn sie sich ahnungslos verkaufte? Wahrscheinlich, weshalb sie jetzt gut überlegte, was sie antworten sollte.

"Dieser Spiegel, er hatte eine Wirkung auf mich. Als hätte ich ihn schon mal gesehen, aber was die Zeichen bedeuten, da kann ich nur raten." Tief sah Jenna Andras in die Augen und versuchte so gelassen wie möglich zu wirken.

Während der Dämon sie schweigend beäugte, hoffte Jenna inständig, das Stephen vor ihr stand. Denn ausgerechnet dieser Blick erinnerte sie an den arroganten Dr. Strange und mit jedem Wimpernschlag musste sie enttäuscht feststellen, dass es nicht der Fall war. Es gab keinen Weg aus Andras Welt. Jetzt hatte er sie hier und freiwillig würde er sie nicht mehr gehen lassen. Sie musste sein Spiel spielen, ihm das Gefühl geben, dass sie an ihm glaubte. Nur so würde sie wieder hier rauskommen. Der Krieg, wie Stephen ihn immer prophezeit hatte, musste stattfinden und es musste am Anfang so aussehen, als würde sie auf Andras Seite sein. Nur so konnten sie den Dämon besiegen. Mit seinen eigenen Waffen schlagen oder wie heißt das noch gleich?


Andras bemerkte, dass Jenna mit ihren Gedanken abschweifte und auch er sah sie einfach nur schweigend an. Verlor sich wieder in ihren blauen Augen und warum so überwältigter, als sie nach seiner Hand griff, um ihn aus seiner Starre zu rütteln.

"Können wir hier raus?" Schmunzelte Jenna kurz und ohne ihre Hand loszulassen, teleportierte Andras die beiden aus dem Raum. Dabei ließ er sich nicht anmerken, dass er vielleicht gerade der glücklichste Dämon der Welt war. Etwas, was nie jemand für möglich gehalten hätte, nicht mal er selbst.

Shadow (Dr.Strange FF - Buch 1)Where stories live. Discover now