Gerrit

167 22 67
                                    

Nun war sie erst recht gespannt. „Oh, ich kann gut schweigen."

„Schweigen ... ja, das könnt ihr Friesen hervorragend. Besonders der, den man Stockfisch nennt. Du willst wissen, woher ich meine Kampfkünste habe?" Er holte tief Luft und begann: "Das hab ich gelernt, richtig gelernt. Einst diente ich in der Armee der Generalstaaten, abwechselnd als Schütze, Kanonier und Pikenier. Hab' einige Feldzüge mitgemacht, der wichtigste davon war die Befreiung von Groningen gewesen, dadurch hatten wir den gesamten Norden der Niederlande für uns gewonnen. Auch bei der berühmten Schlacht von Nieuwpoort vor vier Jahren war ich dabei. Es gab hohe Verluste auf beiden Seiten, dennoch langte es zum Sieg. Die spanische Armee wurde nahezu vernichtet, wir haben sogar die Elitesoldaten, die Tercios, vom Feld vertrieben."

„Das ist ja großartig ... da habt ihr aber viel Glück gehabt!"

„Hach nein!" Er schüttelte spöttisch den Kopf. „Mit Glück oder Gottes Hilfe hatte das wenig zu tun. Unser Oberbefehlshaber, Fürst Moritz von Oranien, hatte alte Schriften über griechische und römische Kriegskunst studiert und dann zusammen mit seinem Vetter Ludwig von Nassau eine neuartige Kriegsstrategie und Exerziertechnik entwickelt. Das neue Konzept spielten sie erst mit Bleisoldaten durch, anschließend mussten wir alles einüben und lernen: Verschiedene Formationen, das Aufstellen in Reih' und Glied, das Marschieren im Takt sowie spezielle Kommandos und Trommelsignale. Das dauerte natürlich einige Zeit; anfangs war unser Söldnerheer ein zusammengewürfelter Haufen, mehrere Leute desertierten, weil sie den ewigen Drill leid waren. Wir anderen aber hielten durch, weil wir wussten, wieviel auf dem Spiele stand. Fürst Moritz war ebenfalls nicht zu beneiden, er musste den Spott altgedienter Kriegsleute ertragen, sie verlachten seine neue Taktik als Spielerei. Aber hinterher lachte niemand mehr, das viele Exerzieren und die strenge Disziplin hatten sich ausgezahlt - und wie! Zum Schluss war unser Heer bestens organisiert. Jeder Truppenteil war in der Lage, unabhängig voneinander zu agieren, auf Kommando zu wenden und verschiedenartige Positionen einzunehmen, ohne je ins Stocken zu geraten. Jeder Einzelne kannte seinen Platz. Damit wendete sich das Blatt; plötzlich mussten die spanischen Teufel mit uns rechnen, mehr noch, sie begannen sogar, unsere „niederländischen Brigaden" zu fürchten. Immer häufiger triumphierte unser kleiner Staat über eine Weltmacht, ha!" Er stemmte die Arme in die Seiten und lachte dröhnend. „Inzwischen sind wir imstande, zweitausend Mann in weniger als einer Stunde zu einer Formation aufzustellen, dies bringt keine andere Nation fertig. Die Schweden sind bereits auf unsere Erfolge aufmerksam geworden." Er sah sie auffordernd an. „Na, was sagst du dazu? Sprichst du nun immer noch von Glück?"

„Nein, keineswegs", versicherte sie, „im Gegenteil, ich bin sehr beeindruckt! Ich ahnte ja nicht, wieviel harte Arbeit dahintersteckt."

„Mit Haudrauf hat das wahrlich nichts zu tun, das ist wirkliche Kriegskunst! Trotzdem wird es schwer werden, die Spanier gänzlich zu bezwingen, ihre Infanterie gilt als die beste der Welt. Doch wenn wir nicht wenigstens alles Menschenmögliche aufbieten, nicht all unsere Kräfte nutzen, dann haben wir schon verloren. Irgendwie und irgendwann werden wir die Unabhängigkeit erringen, der Tag wird kommen!" Er schüttelte drohend die Faust.

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.
🌊Der Stern des Meeres🌊*WattyWinner 2019*Where stories live. Discover now