Hoch hinaus

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Wie gewohnt hatte Rix die Mahlzeit und das Geschirr bereitgestellt, unverzüglich brachte Lorena alles in die Back. Kaum stand die Schüssel mit der dick gekochten Gerstengrütze sowie die Kanne Wasser auf dem Tisch, tauchten die Freunde auf.

„Moin, moin!", murmelten sie schlaftrunken und setzten sich.

„Moin, moin", grüßte sie zurück und wünschte lächelnd „Goed appetit!"

Außer einem gebrummten „Hmm ..." – was wohl „Danke" heißen sollte, brachten sie kein Wort mehr heraus und konzentrierten sich allein aufs Essen. Lorena verstand sie nur zu gut. Kein Wunder – abwechselnd vier Stunden Dienst, vier Stunden Schlaf, ob Tag oder Nacht, durchschlafen nur jede vierte Nacht – vorausgesetzt, es kam kein Unwetter dazwischen, dann hieß es „alle Mann an Deck!" und die Ruhepause war vorbei. So gesehen, hatten es Schiffsjungen besser; sie waren vom Wachdienst ausgenommen.

„Wo ist eigentlich der Backsmeister?", erkundigte sie sich. „Und wo bleiben die anderen beiden?"

„Die pennen lieber noch und begnügen sich mit Zwieback", nuschelte Ove während des Kauens.

Einen Augenblick lang stellte sie sich vor, wie der Backsmeister, den Zwieback zwischen die Zähne geklemmt, gleichfalls am Tau zog ... eine drollige Vorstellung! Gleichzeitig erkannte sie die günstige Gelegenheit, dass sie ungestört miteinander reden konnten. Sie wartete ein wenig, bis die Freunde munterer wurden und berichtete knapp, wie es ihr heute ergangen war – im Flüsterton, damit nicht etwa der Wind ihre Worte an fremde Ohren weitertrug.

Sjard raunte zurück: „Finde ich gut vom Quartiermeister, dass er dich zum Einarbeiten ans Tauwerk geschickt hat. Da lernst du mehr."

„Schön wär's", entgegnete sie, „genau das ist mein Problem." Sie musste bitter geklungen haben, denn ihre Bemerkung weckte Janko aus seinem Halbschlaf.

Er schüttelte sich kurz und richtete sich kerzengerade auf. „Wieso?", verlangte er zu wissen.

„Pschscht! Sei leiser", mahnte Sjard, was Janko mit einem Schnauben quittierte.

„Niemand will mir etwas zeigen oder erklären", fuhr sie fort. „Nur heute gab es mal eine Ausnahme."

Janko wechselte mit Sjard einen grimmigen Blick. „Das geht gar nicht! – Heute machen wir das anders: Sjard, du lernst Ove und mich an, und Roluf kümmert sich um Lyka ... äh, Timo allein."

Nachdenklich rieb sich Roluf das Kinn. „Das ist aber so üblich, Janko. Seeleute machen nicht viel Worte; die warten geradezu darauf, dass sich ein Moses blöd anstellt, um ihn dann nach Strich und Faden zu veralbern. Es kann dauern, bis einer Lust hat, eine Unterrichtsstunde zu geben."

Statt einer Antwort trommelte Janko mit dem Fingern auf die Tischplatte. Eine steile Falte stand auf seiner Stirn.

Da gab Roluf nach. „Du hast recht, unsere Lyka soll nicht zum Gespött werden. Ich versuche mein Bestes, aber ich muss auch meine Arbeit tun."

„Bleib' in ihrer Nähe und erklär' ihr soviel wie möglich", erwiderte Janko. „Einfach jede Gelegenheit nutzen."

„Ich mach' alles mit!", beteuerte Lorena. „Egal, was."

Roluf nickte, aber er schien nur halb überzeugt. „Na, ich nehme dich beim Wort. Also kommst du mit mir."

„Dann ist es abgemacht!", stellte Janko fest. Seine Züge entspannten sich.

„Hatte Thorsson nicht gesagt, wir Friesen sollen zusammenhalten?", bemerkte Sjard.

„Eben!", gab Janko flugs zurück, zischte „Eala Frya Fresena", und berührte den Bernsteinanhänger an seinem Hals.

🌊Der Stern des Meeres🌊*WattyWinner 2019*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt