Der Teufel an Bord

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Seine Beine zitterten immer stärker. Was ist, wenn er ohnmächtig wird ...? fragte sie sich beklommen. Wenn ... wenn er abrutscht?

Aber er fing sich wieder. Indem er sich an den Mast lehnte, fand er Halt. Das Zittern hörte auf.

„Los, los, fort mit euch, hier gibt's nichts mehr zu gaffen!", gebot der Profos und wedelte mit den Armen, als wollte er Fliegen verscheuchen.

Die Männer gehorchten und gingen still auseinander. Auf dem Achterdeck schlug die Kajütentür mit einem Knall zu. Auch für den Schipper war die Strafaktion beendet.

Wann immer es die Arbeit erlaubte, behielt Lorena den Büßer am Mast im Auge. Stunde um Stunde harrte er aus, bei Wind und Wetter, notdürftig von den jüngeren Schiffsjungen mit Zwieback und Wasser versorgt.

Am Morgen des zweiten Tages, nachdem Lorena die Back aufgeklart hatte, ging sie zum Hauptdeck, um wieder nach dem Unglücklichen zu schauen. Sein Leib war mit Frost überzogen, seine Gesichtsfarbe bläulich. Er schlotterte am ganzen Körper. Über diesen jammervollen Anblick war sie hellauf empört. Himmel, der Mann erfriert ja! Das darf man nicht zulassen ... er wurde nicht zum Tode verurteilt! Wo ist der Profos überhaupt? Der Gute wärmt sich bestimmt gemütlich in seiner Kabine auf. Ich muss unbedingt Meldung machen!

Gerade wollte sie zur Tat schreiten, da bäumte sich der Mann auf –

... und riss mit einem Ruck die Hand vom Mast los!

Er vermochte noch einige Schritte zu gehen ... dann schwankte er und schlug der Länge nach hin. Ehe sie ihm zu Hilfe eilen konnte, kam schon der Profos herbeigelaufen, mit beiden Backen kauend. Ihre Vermutung war also richtig gewesen. Nun gut, selbst er musste einmal schlafen und frühstücken ... Immerhin gab er zwei Matrosen sofort einen Wink und sprach leise mit ihnen, woraufhin diese nickten, dem halb Ohnmächtigen aufhalfen, ihn in die Mitte nahmen und fortschleppten. Er fand noch die Kraft, einen Fuß vor den anderen zu setzen; indes begann seine Wunde stark zu bluten. Dicke Tropfen fielen zu Boden und hinterließen eine rot gesprenkelte Spur.

Gespannt sah Lorena ihnen nach. Wohin würden sie ihn bringen? Als sie erkannte, dass sie nach achtern, zum Kajütenniedergang strebten, stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus. Nun war alles gut. Der Weg führte zu den Kabinen der Offiziere, eine davon bewohnte der Schiffsarzt. Wenigstens wurde der Bedauernswerte ärztlich versorgt! Sie freute sich für ihn, dass es ihm gelungen war, sich endlich zu befreien. Der Frost musste seine Hand weitgehend empfindungslos gemacht haben, so dass er diesen günstigen Umstand kurz entschlossen genutzt hatte, sich loszureißen. Hoffentlich waren ihm zu allem Übel nicht die Finger abgefroren; zudem konnte er sich das Fieber zugezogen haben oder gar den Wundbrand ... ob, und wie weit er gesundete, lag jetzt am Geschick des Schiffsarztes.

***

Die Decksplanken wurden sauber geschrubbt und sämtliche Blutspuren ordentlich beseitigt

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Die Decksplanken wurden sauber geschrubbt und sämtliche Blutspuren ordentlich beseitigt. Das Leben an Bord nahm wieder seinen gewohnten Gang. Für Lorena hingegen änderte sich manches, immer häufiger wies man ihr die Arbeiten eines Jungmatrosen zu. Damit stand sie unter der Aufsicht von Cornelis Veen.

🌊Der Stern des Meeres🌊*WattyWinner 2019*Where stories live. Discover now