Vorzeichen

84 7 19
                                    

Aber sie war nicht die einzige, die wachsam blieb. Nach der durch Scharbock und Fieber erzwungenen Pause waren alle Seeleute wieder bei Kräften, und so riefen Bakker und Thorsson die Mannschaft erneut zusammen, um die Gefechtsausbildung fortzusetzen. Wie zuvor wurden wegen des begrenzten Platzes einzelne Backschaften für die Übungen auf dem Batteriedeck eingeteilt, und dann hieß es: »Geschütze klarmachen!« und »Laden, ausrücken!«.

Alle gingen sogleich mit vollem Eifer ans Werk; übten die Bedienung der Geschütze und den Umgang mit den Waffen, befolgten die verschiedenen Kommandos und das immer schneller, denn im Ernstfall würde die Zeit zum entscheidenden Faktor werden. Das metallische Klirren, das dumpfe Rollen der schweren Kanonen erfüllte die Luft. Aber keine einzige Kugel wurde abgefeuert, das musste für den Kampf aufgespart werden.

Anfangs empfand Lorena die Handhabung mit Schwarzpulver, Kartusche und Lade- und Luntenstock als ungewohnt. Hoffentlich hatte sie nichts verlernt! Diese komplizierten Handgriffe, die sie einst mühelos beherrscht hatte, würden sie ihr jemals wieder gelingen? Behutsam tastete sie sich zurück in die ehemals vertrauten Abläufe ... doch allmählich verschwand die Unsicherheit, und bald schon hantierte sie wie selbstverständlich mit diesen so wichtigen Gerätschaften, die über den Ausgang einer Seeschlacht entscheiden konnten. Gerrit indes schien als Konstabler in seinem Element zu sein; er bewegte sich geschmeidig zwischen den mächtigen Kanonen, überwachte mit sicherem Blick das Geschehen und gab klare Anweisungen. Sein Anblick erfüllte sie mit neuer Zuversicht. Sie sah ihn förmlich vor sich, wie er sie alle inmitten des Schlachtgetümmels, umgeben von Kanonendonner und Pulverdampf, zum Sieg führte. Ja, er war der richtige Mann für diese Aufgabe! Mit diesem Bild vor Augen widmete sie sich ganz ihrer eigenen Rolle, um ihren Beitrag zu leisten, sei es als Pulverjunge, Gehilfe des Schützen oder des Kanoniers.

 Ja, er war der richtige Mann für diese Aufgabe! Mit diesem Bild vor Augen widmete sie sich ganz ihrer eigenen Rolle, um ihren Beitrag zu leisten, sei es als Pulverjunge, Gehilfe des Schützen oder des Kanoniers

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.

Nach dem schweißtreibenden Training winkte die Belohnung: abends durfte sich die Mannschaft erholen. Dank des guten Windes blieb wenig zu tun, das Schiff glitt durch ruhige Gewässer. Bakker ließ als Geste der Anerkennung eine Runde Branntwein ausgeben, und die Männer hoben ihre Becher. Der erste Schluck wurde nach alter Sitte Rasmus, dem Gott des Meeres und der Winde, geopfert und jeweils ein Spruch aufgesagt.

»Auf guten Wind und möge uns Rasmus immer gewogen sein!«

»Zum Wohle, und dass uns der Kompass stets den rechten Kurs zeigt!«

»Joho, auf unseren Schipper! Auf eine glückliche Hand am Ruder!«

Das silberne Mondlicht glitzerte auf dem Wasser und erhellte das Deck. Einige Matrosen begannen, Lieder anzustimmen, nach und nach fielen auch die übrigen ein. Der Gesang aus rauen Kehlen vermischte sich auf eigentümliche Weise mit dem leisen Klappern der Takelage und dem sanften Plätschern der Wellen. Ihre kräftigen Stimmen schienen einen einzigartigen Dialog mit dem Meer zu führen, eine Melodie, die von Sehnsucht und Freiheit erzählte. Allmählich ging das Singen in Gespräche über, in Lachen und Scherzen, als die Matrosen sich in kleinen Gruppen verteilten.

🌊Der Stern des Meeres🌊*WattyWinner 2019*Where stories live. Discover now