In geheimer Mission

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Roluf zog Lorena beiseite. „Ich hab' sie!", sagte er triumphierend. 

„Oh, wie schön ...", meinte sie gedankenverloren und suchte mit den Blicken das Deck ab. Wo war Janko bloß? Er war nirgends zu sehen - war er aufgeentert? Sie spähte nach oben ins Rigg. Nichts ... sie blickte nach unten ... wieder nichts! Und Cornelis ... war auch verschwunden.

Alle beide fort! Wie in Luft aufgelöst.

War Janko fortgeschleift worden? In die Bilge etwa, angekettet, blutend, und der teuflische Cornelis stand über ihn gebeugt, hohnlachend, wie er so vermessen sein konnte, ihm die Stirn zu bieten?! Die Katze sauste nieder ... Schlag auf Schlag folgte ... auf seinen Rücken, Beine, Arme, riss tiefe Wunden ins Fleisch ...

Ihr wurde speiübel bei dem Gedanken. Sie schüttelte den Kopf, um die Vision loszuwerden, und platzte heraus: „Sag' mal, hat Janko einen Bordkoller gekriegt, dass er ausgerechnet Cornelis so reizen muss?"

Roluf zuckte zurück. „Äh ...?"

Lorena tat ihre Heftigkeit zwar leid, doch sie wollte es wissen. „Glaubst du, dass Janko endlich Ruhe vor Cornelis hat? Dass sich die beiden miteinander vertragen?"

Roluf schluckte erst einmal. Dann grinste er fröhlich. „Das hat Janko gut gemacht, ne? Uns Amrumer kriegt Cornelis nicht klein."

„Ja, aber ... ist jetzt alles gut, kommt noch was hinterher, oder was hatte Cornelis' Grinsen zu bedeuten? Wird er ihn doch noch bestrafen?" Sie schrie es beinahe, doch zum Glück blies der Passat gerade so heftig in die Segel, dass sie erst eine Windpause abwarten mussten, um sich verständlich zu machen.

Er schüttelte den Kopf. „Nein, nein, das gewiss nicht, da kannst du ganz beruhigt sein - er hat gelächelt, dann ist es in Ordnung."

„Das sah aber aus, als fletschte er die Zähne!"

Er legte beteuernd die Hände auf die Brust. „Du kannst es mir glauben: Er hat wirklich gelächelt. So lächelt er immer, also, wenn er denn mal lächelt."

Sie blieb skeptisch. „Hm. Es sieht aber aus wie eine Drohung."

„Cornelis kann nun mal nicht anders lächeln. Das einzig Gute an ihm ist, dass man ihm die Gefühle vom Gesicht ablesen kann. Meistens jedenfalls. Wenn er nicht grinst, hat man schlechte Karten ..."

„Also immer", sagte sie lakonisch.

„So kommt das ungefähr hin. Janko dagegen hat's geschafft, ihn zu beeindrucken."

„Ehrlich?"

„Ehrlich!"

„Ja ... dann ... ach, nun bin ich beruhigt." Sie stieß einen Seufzer aus. „Danke, du hast mir sehr geholfen, ich hatte schon gedacht ... ach, jetzt ist alles gut. Entschuldige, dass ich dir gerade nicht zugehört habe."

„Na, bei Cornelis kann man schon Muffensausen kriegen, das verstehe ich."

„Ich frage mich, warum er so hart mit anderen und mit sich selbst ist ... weißt du, woran ich bei ihm immer denken muss?"

Roluf hob fragend die Schultern.

„An das alte Gesetz der Uthlande", fuhr sie fort. „'Erst der Deich, dann das Land, und dann Gott und die Menschen'. - Für Cornelis ist das Schiff der Deich ... sein Deich, den es zu schützen gilt, was immer es auch kostet."

Er sog überrascht die Luft durch die Zähne. „Uuh! Du hast es genau erkannt. Darin ist er kompromisslos. Andererseits schützt das auch unser Leben."

Sie zog die Augenbrauen hoch. „Aber nur solange wir nützlich sind, solange bleiben wir am Leben. Kurz gesagt: zuerst das Schiff, dann die Besatzung." - In ihr klang ein leiser Ton an. Eines Tages würde sie sich an dieses Gespräch erinnern. Nun aber zu Roluf ... der Arme wartete schon die ganze Zeit darauf, seine Neuigkeit loswerden zu können. Sie lächelte ihn auffordernd an. „So, das haben wir geklärt. - Was wolltest du vorhin sagen? Du hast - was ...?"

🌊Der Stern des Meeres🌊*WattyWinner 2019*Where stories live. Discover now