Absturz

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Ziemlich energisch hatte es geklopft.

Bestimmt war Hauke in seinem ganzen Leben nicht so verdutzt gewesen wie jetzt, als er die Haustür öffnete und den fremden blonden Burschen mit Lyka, die sich kraftlos an ihn klammerte, vor sich stehen sah.

Auch der Bursche schien ziemlich erschöpft und nuschelte: „Sie kann nich' laufen. Hat sich verletzt."

Hauke wies mit dem Daumen hinter sich. „Da, auf die Bank!"

Der Fremde tat wie geheißen, hob Lorena auf die Arme, setzte sie sachte ab und half ihr, sich auszustrecken.

Hauke hockte sich vor ihr hin und besah den blutigen Fuß. „Ziemlich angeschwollen", stellte er nüchtern fest.

„Aber warum? Fast den gesamten Rückweg hat Janko mich getragen. Und es tut so weh, das hört nicht auf", jammerte sie leise.

„Hör' auf zu flennen, da muss noch etwas anderes sein. Halt' mal still!" So grob seine Worte waren, so sanft betasteten seine Finger die Schramme. Vorsichtig zog er die Wundränder auseinander. „Ah, ich seh' es schon ... da stecken noch Muschelstücke drin. Die müssen 'raus, sonst entzündet sich das."

Janko zog aus seinem breiten Gürtel ein kleines spitzes Messer und reichte es ihm. „Nimm' das! Ist sehr scharf. Und sauber."

Für Lorena fühlte es sich an, als wühlten kleine Krallen in ihrem Fleisch, ihr Fuß zuckte so sehr, dass Janko eingreifen und ihn festhalten musste. Am Ende holte Hauke vier größere Muschelsplitter heraus. „Na, geschafft!", triumphierte er.

Zum Abschluss drückte er leicht auf die Wunde, bis es zu bluten aufhörte.

„Algen sind gut", ließ sich Janko unvermittelt vernehmen. „Einfach auflegen. Reinigt und kühlt. Und es heilt schneller."

„Hab' noch Arnikasalbe da, aber ..."

„Zuerst die Algen, ich hol' welche!", sagte Janko bestimmt und sprang auf.

„Gut. Danach eben die Salbe ..." Da sprach Hauke schon ins Leere. Janko war wie der Blitz zur Tür hinausgeschossen.

So geschah es. Am Ende war die Wunde gesäubert, der Fuß ordentlich mit Leinenstreifen verbunden und auf einer zusammengerollten Decke hochgelagert.

Hauke grinste zufrieden. „Gut, nich'?"

„Bestens. Danke", sagte sie, noch ganz benommen. Sie wusste, mit seinem schnellen Eingreifen hatte Hauke Schlimmeres verhütet, und ohne Janko wäre sie draußen im Watt geblieben. Für eine Zeitlang konnte sie keine größeren Ausflüge unternehmen, aber das war wirklich das kleinste Übel.

„Was war passiert?", erkundigte sich Hauke.

Lorena erzählte die ganze Geschichte in kurzen Worten.

Hauke zog die Brauen zusammen. „Hm. Das hätte mir auch passieren können. Der Strom ist zu schnell gekentert. Du hast viel Glück gehabt!"

„Ich habe Janko gehabt."

Ihr Blick suchte Janko, der am Türrahmen stand und so aussah, als wenn er sich verabschieden wollte. „Danke, dass du mich gerettet hast, Janko. Das werde ich dir nie vergessen!" Und zu Hauke gewandt, sagte sie: „Er könnte einen guten Schlickläufer abgeben! Er ist sehr geschickt."

Hauke kniff die Augen zusammen. „Wundert mich nicht. Ist ja ein Amrumer. Auf seiner Insel gibt's fast nur Sand!"

Janko stieß ein hartes Lachen aus. „Eben. Genau deswegen bin ich gekommen."

„Was? Wegen des Sandes?", fragte Hauke irritiert.

Janko ging nicht darauf ein. „Hab' gehört, dass ihr Strandinger wieder Deicharbeiter braucht. Der Damm bei Ilgrov ist schwer beschädigt?"

🌊Der Stern des Meeres🌊*WattyWinner 2019*Where stories live. Discover now