Hindernisse

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Das „Was" war nun besprochen, nun fehlte noch das „Wie"; alle schienen in tiefes Nachdenken versunken. Janko kratzte sich am Kinn, Roluf rieb sich versonnen die Nase, Ove kaute auf der Unterlippe herum, Sjard starrte zur Decke, als stünden dort Antworten geschrieben. Und Lorena besah sich eingehend ihre sauber geschrubbten Hände. Man sah ihnen an, dass sie zupacken konnten, die Schwielen ließen die Finger dicker erscheinen, als sie tatsächlich waren, und selbst im Winter hatten sie nur wenig von ihrer Bräune verloren. Nein, ihre Hände würden sie nicht verraten.

Von draußen drangen die Rufe verschiedener Seevögel herein; auch der rhythmische Wellenschlag, der stetig gegen das Ufer der Hallig brandete, war deutlich zu vernehmen. Immer mehr erhellte sich der Raum, die Sonne war gestiegen und schickte ihre Strahlen ins Haus. Es ging auf Mittag zu.

„Wir müssen einen Namen für dich finden", sagte Janko unvermittelt.

Nach einer kleinen Denkpause kamen die ersten Vorschläge: „Rik?" – „Tade!" – „Nee, Pidder!" – „Jens!" – „Timo!"

Lorena hielt derweil die Augen geschlossen, lauschte dem Klang der Namen nach. Beim Letztgenannten hob sie die Hand und rief: „Timo! Der gefällt mir am besten!"

„Joh, mir auch", fand Roluf. Die anderen nickten zustimmend.

Lorena überlegte laut: „Und der Nachname? Auf einer Hallig gibt es eine Familie namens Lornsen, ich finde, das klingt fast wie Lorena, den kann ich mir wenigstens merken." Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Ja, so werde ich mich nennen: Timo Lornsen!"

„Passt!" – „Sehr gut!", riefen die Freunde. Zufrieden lehnte sie sich zurück. Auch das war nun geregelt.

Sjard stieß Roluf mit dem Ellbogen in die Seite. „Verplapper' dich bloß nicht!"

„Heißt das, ich quatsche zuviel?", beschwerte sich Roluf und zog einen Flunsch.

„Dafür schweigt Janko umso lieber", frotzelte Ove.

„Und du brummst meistens vor dich hin", gab Janko Kontra.

Lorena kicherte, wurde aber schnell wieder ernst. Ihr war gerade eine Idee gekommen. Sie sprang auf und sagte: „Ich möchte noch etwas ausprobieren, bin gespannt, was ihr dazu meint!"

Sie verschwand in ihr Zimmer, kleidete sich um. Als sie nach einer Weile zurückkehrte, hatte sie sich in den Schiffsjungen Timo Lornsen verwandelt. Sie drehte sich zweimal um die Achse und breitete die Arme aus. „Na, wirke ich glaubhaft? Aber ich sollte wohl noch einen dritten Leinenstreifen umbinden, dann hält alles sicher."

Die verblüfften Gesichter der Freunde waren zum Malen.

Sie amüsierte sich köstlich über die Wirkung. Sie hatte nämlich mehr getan, als nur in Hemd und Hose zu schlüpfen.

Roluf fand als erster seine Sprache wieder. „Wat? Seit wann hast du 'nen Bart??", fragte er entgeistert.

„Wie hast du das denn gemacht?", staunte auch Janko.

„Reiner Zufall. Gestern Abend habe ich mich mal von der Seite im Spiegel betrachtet ... also, auf der Oberlippe habe ich einen hellen Flaum. Da dachte ich mir, warum den nicht dunkler färben? Ich probierte es mit Asche, nun erscheinen die Härchen ein bisschen dunkler ... das sieht ganz passabel aus, finde ich."

„Da darfst du dich bloß nicht mehr waschen", gab Sjard sogleich zu bedenken.

„Dann hab' ich mich halt rasiert", sagte Lorena kichernd.

Sjard schüttelte den Kopf. „Och, das wird schon gehen. So streng guckt keiner drauf."

„Es soll ja nur ein bisschen aussehen, als ob", sagte Lorena. „So ab und zu ..."

🌊Der Stern des Meeres🌊*WattyWinner 2019*Where stories live. Discover now