Rivalen

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In den nächsten Tagen ließ sie Janko möglichst nicht aus den Augen und musste aufpassen, dass sie keine Fehler machte, weil sie seinetwegen so abgelenkt war. Unglaublich, was er wagte! Er folgte Cornelis überallhin wie ein Schatten. Was hatte er bloß vor?

Ihre Unruhe wuchs. Aber bald begriff sie, was er vorhatte - er wollte von ihm lernen! Jeden Handgriff, jede Bewegung, seine Arbeitsweise. Dabei hielt er sich stets im Hintergrund. Cornelis ließ nicht durchblicken, ob ihm Jankos Hartnäckigkeit auffiel; er war es gewohnt, dass man ihm nacheiferte. Er war der Obermatrose, ein bewundertes Vorbild. Warum sollte er etwas dagegen haben? So machte er weiter wie bisher, sagte nichts, und Janko drängte sich niemals vor.

Sehr gut, Janko, du machst das sehr geschickt! lobte sie ihn in Gedanken. Aber pass bloß auf!! Bei aller Sorge um ihn hatte sie auch Vertrauen zu dem, was er tat. Von Anfang an hatte er die Nähe erfahrener Matrosen gesucht und ihnen vieles abgeschaut, darüber hinaus schien er beliebt zu sein, trotz oder gerade wegen seiner Schweigsamkeit. Er packte an, ohne groß zu fragen. Selbst der bärbeißigste Matrose gab gerne den Lehrmeister und erklärte ihm das Schiff vom Kiel bis zum Krähennest. Zudem hatte er sich dank seiner zähen Natur und seiner erworbenen Ausdauer in Dünen und Watt schnell die typische Behändigkeit der Seeleute angeeignet.

Nun aber schien er die lange Zurückhaltung sattzuhaben. Er flitzte schon, bevor Cornelis den Mund zu einem Befehl aufmachte, und erledigte die Arbeit. Er war als erster an der Belegnagelbank, er hatte als erster den Fuß ins Tauwerk gesetzt, bevor Cornelis dazukam - jedes Mal um eine Winzigkeit zu spät. Janko machte den Anfang, nicht mehr Cornelis.

Lorena bekam es mit der Angst zu tun. Musste er es denn auf die Spitze treiben? Oder wollte er sich einschmeicheln? Bestimmt nicht. Das passte einfach nicht zu ihm; er war tatendurstig, aber sonst hatte er nichts Unterwürfiges, Fügsames an sich. Dazu war er bei allem flink wie eine Robbe, die durch die Nordseewellen tauchte.

Cornelis war natürlich nicht der Mann, der mit sich spielen ließ. Die Katze verfolgte Janko, tatzte und haschte nach ihm, die Striemen, die er sich hier und da einhandelte, schienen ihn nicht zu kratzen. Janko zuckte nicht - niemals. Und seine Miene blieb so unbewegt, als wäre sie eingefroren.

„Das schert den Teufel nicht, der Stockfisch zieht bald den Kürzeren! Er kann Cornelis nichts anhaben", raunten die Männer untereinander. Höchst interessiert verfolgten sie den Wettstreit zwischen den beiden.

Als Lorena das hörte, schüttelte sie im Stillen darüber den Kopf. Wenn ein junger Teufel gegen den alten antrat, würde das den alten wohl oder übel scheren müssen; es war durchaus möglich, dass ihn der Herausforderer vom Thron stieß. Janko Staal als Hochbootsmann konnte sie sich gut vorstellen - und ah! - war das vielleicht seine Absicht? Warum hatte sie ihn nicht gleich durchschaut? Ihm passte es nicht, ein einfacher Matrose zu sein, er wollte mehr. Er war auf den Geschmack gekommen, ihn hatte die Seefahrt, der Ehrgeiz gepackt! Er strebte einen ehrlichen Beruf an und wollte aufsteigen, und nicht mehr strandräubern, Schiffe ausplündern oder sich am Deich krumm schuften. Natürlich könnte sie ihn direkt nach seinen Plänen und Zielen fragen, aber hinterher wäre sie nicht viel schlauer. Janko erklärte sich nicht, er tat es einfach, und fertig.

Doch es würde nicht ohne Kampf abgehen - niemals würde Cornelis seinen Posten einem Konkurrenten überlassen, es sei denn, er wurde befördert. Solange musste Janko sich gedulden und sich unterordnen, und genau das aber war nichts für den rebellischen Strandjer. Sie fragte sich, wie lange sie das Hin und Her noch mitansehen konnte, ohne irgendetwas zu tun. Tief in ihr brodelte es, ihre Angst verwandelte sich allmählich in Wut. Und das machte ihr Angst.

Ausgerechnet jetzt fehlte Thorsson auf dem Achterdeck! Er hätte die angespannte Situation entschärfen können. Vor Kurzem noch wegen des Gegenwinds pausenlos mit der Navigation beschäftigt gewesen, überließ er die täglichen Messungen nun den Steuerleuten und verschwand mit anderen Matrosen unter Deck, um erst Stunden später wieder aufzutauchen.

🌊Der Stern des Meeres🌊*WattyWinner 2019*Where stories live. Discover now