Kapitel 66

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Auch am nächsten Morgen gab es rein gar keine Reaktion von der kalten Schlampe alias meiner Stiefmutter auf das, was sie am Vorabend gesehen hatte. Wenn ich ehrlich bin hatte ich eher sogar das Gefühl, dass sie mich mit voller Absicht schwere Sachen tragen ließ. Ich mein, wer stellt um sieben Uhr Morgens riesige Pflanzenkübel um?! Aber das bildete ich mir bestimmt nur ein.

Das glaubst du dir doch jetzt selbst nicht oder?

Wenigstens konnte ich mich auf die Schule freuen oder besser gesagt auf meine Freunde. Wow, das war immer noch ungewohnt zu denken. Dümmlich grinste ich vor mich her und rührte das Rührei ein letztes Mal um, bevor ich es auf zwei Teller verteilte.

Kathrin hatte es sich wie immer schon am Frühstückstisch bequem gemacht, während ich das Essen zubereitete. Da ich nicht allzu einfallsreich war, hatte ich mal wieder Rührei mit Speck und Toast gemacht. Das ging wenigstens schnell und war lecker.

Allerdings überlegte ich kurz, ob ich als Rache für das Pflanzenschleppen Kathrins Frühstück ganz ausversehen auf ihr neues Kostüm fallen lassen sollte. Nur würde das sicherlich damit enden, dass sie meine Portion aß während ich versuchen durfte ihre Bluse zu retten. Also beließ ich es lieber dabei sie in meinen Gedanken zu erwürgen und stellte ihren Teller falsch lächelnd vor ihr ab.

Erstaunlicher Weise machte sie sich sogar die Mühe ihr Magazin wegzulegen zum Essen, auch wenn das nichts an der seltsamen Stille, die über dem Tisch hing, änderte. Ich konnte mich an keinen einzigen Tag erinnern, an dem wir uns Morgens einmal unterhalten hätten, selbst damals nicht, als sie meinem Vater noch in den Arsch gekrochen war. Damals war sie größtenteils damit beschäftigt gewesen einen wohlerzogenen Eindruck zu hinterlassen und so aufrecht und steif, wie sie auch jetzt noch da saß, konnte man meinen, sie versuche immer noch irgendjemanden zu beeindrucken. Als wäre sie hier nicht zu Hause, sondern nur zu Gast... Wenn ich so darüber nachdachte, war es schon fast traurig. Ich lebte nun schon zwei Jahre mit ihr unter dem selben Dach und wusste trotzdem so gut wie gar nichts über sie. Hatte sie eigentlich Familie? Geschwister? Keine Ahnung, aber zumindest hatte sie noch nie Verwandte besucht, so weit ich mich erinnern konnte.

Erst als sich Kathrin laut räusperte, fiel mir auf, dass ich sie über den Tisch hinweg angestarrt hatte. Verlegen senkte ich den Blick und nahm schnell einen Bissen. Vielleicht wartete sie jetzt auf eine Erklärung, aber mir erschien es etwas seltsam, ihr zu erklären, dass sie sich verhielt, als wäre sie immer noch eine Fremde in diesem Haus.

Eine Fremde die dich herumkommandiert.

Ja, das vielleicht schon, aber irgendwie... ich hatte bei ihr noch immer das gleiche Gefühl, wie vor zwei Jahren, als Dad sie mir vorstellte. Ein temporärer Gast in meinem Leben. Mehr war sie nicht. Ja ok, ein temporärer Gast der mir mein Leben zur Hölle machte, aber wenn ich an die Zukunft dachte, sah ich Kathrin nicht in alt und grau in diesem Haus sitzten.

Du denkst allerdings auch, dass dein Vater plötzlich genest und alles wieder wie früher wird.

Gutes Argument...

Bedrückt kratzte ich die Reste auf meinem Teller zusammen, als es plötzlich klingelte.

Erstauntfuhr mein Kopf nach oben. Erwartete Kathrin Besuch?

Doch bei dem verwirrtem Ausdruck auf ihrem Gesicht, war das wohl nicht der Fall. Einige Sekunden bewegte sich keiner von uns beiden, so als hätten wir uns das Klingeln eventuell nur eingebildet, doch als es dann erneut läutete fuhr Kathrin aus ihrer Starre und funkelte mich ungeduldig an.

"Na wird es jetzt mal? Oder willst du warten bis der Osterhase aufmacht!"

Liebevoll, dachte ich mir trocken, erhob mich aber ohne irgendein Kommentar. Vielleicht hätte ich es darauf ankommen lassen, wenn ich nicht so neugierig darauf gewesen wäre, wer da wohl klingelte. Vielleicht jemand, der zu meinem Vater wollte?

behind the screenWhere stories live. Discover now