Kapitel 29

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Mit Tränen in den Augen und quitschenden Reifen fuhr ich vom Parkplatz. Ich weiß, nicht gerade das schlauste heulend Auto zu fahren aber Dan... Dan war einfach immer da. Früher waren wir fast Geschwister, ich kannte ihn besser als mich selbst. Und jetzt waren wir nicht nur Fremde, wir sind Feinde und das zerbrach mein Herz.

Ich verband so viele Erinnerungen mit ihm: wie wir bei mir übernachtet haben und uns gegenseitig Marshmallows in den Mund geworfen haben, wie wir gemeinsam den Garten der alten Dame, die neben Dan wohnte, verwüstet hatten, weil wir dachten dort wäre ein Schatz vergraben... meine ganze Kindheit bestand aus Dan.

Und jetzt hatte ich ihn verloren.

Ein Wimmern schlüpfte mir über die Lippen und die nächste Kurve nahm ich besonders scharf.

Mein Leben war ein einziger Scherbenhaufen. Wann war nur alles so kompliziert geworden? Wann hatte Dan angefangen mich zu verachten?

Ich konnte mich nicht erinnern, so lange erschien es mir schon her.

Wie ein dunkler schwerer Schleier legte sich jede einzelne Sekunde, die er mich mit Blicken erdolchte, die er mich ignorierte oder beleidigte über mich und schien mich schier zu erdrücken.

Das tiefe Loch in mir schmerzte, brachte mich um den Verstand und verschlang mich.

》Wir werden immer zusammenbleiben《

Hallte seine Stimme in meinem Kopf. Mit sieben gaben wir uns dieses Versprechen und selbst heute noch hörte ich das kleine Mädchen in mir antworten: 》Na klar! Du bist doch das Wichtigste in meinem Leben! Wie könnte ich denn ohne dich weitermachen?《

Wie konnte ich denn ohne ihn weiter machen?

Ganz einfach, mit Verzweiflung, Schmerzen und den bitteren Nachgeschmack einer zerstörten Freundschaft.

Wieder quitschten meine Reifen, als ich endlich bei der Autowaschanlage eine Vollbremsung machte.
Vor dem kleinen Fensterchen blieb ich stehen und bezahlte, die Tränen verdrängend, für eine kurze Wäsche.

Der ältere Mann schaute mich verwirrt und bekümmert an und murmelte, als er mir das Rückgeld gab: "Der Junge ist es nicht wert, Mädchen."

Schnell fuhr ich meine Fensterscheibe wieder hoch. Mein Herz raste und mit jedem Schlag durchzuckte es ein greller Stich.

N...nein er war es nicht wert. Dieser Hass war doch schon viel länger da und bisher war er es auch nicht wert gewesen, darüber nachzudenken.

Mit Atem ging genauso schnell, wie mein blutendes Herz und mein Kopf wurde zugedröhnt von den Putzwalzen.
Aber sie waren einfach nicht laut genug. Nicht laut genug um sie zu übertönen.

Er ist es wert. Er ist jede einzelne Träne wert. Deine Kindheit ist er wert...

Und da konnte ich es nicht verhindern. Ich schluchzte und schlug auf das Lenkrad ein. Tränen rannen wie Bäche über meine Wangen und ich war nicht mehr als ein Häufchen Elend.

In meiner Brust schien eine riesige Wunde zu klaffen und egal wie sehr ich mich auch zusammenkrümmte und versuchte sie wieder zu schließen, blutete sie immer weiter.

Gott, seit wann war ich so emotional? Seit Tagen schwankte ich schon zwischen Heulkrämpfen und Lachflashs, doch jetzt schien die ohnmächtige Trauer gewonnen zu haben.

Konnte mich denn niemand in den Arm nehmen? Konnte niemand mir etwas Halt geben? Mich stützen, bis ich wieder alleine aufrecht stand?

All diese Fragen wollte ich hinausschreien, wollte die Welt fragen, was all dieser Mist sollte.

behind the screenWhere stories live. Discover now