Kapitel 36

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Meiner Meinung nach war ich einfach viel zu oft ein Zombie. Andauernd schlurfte ich mit riesigen Augenringen, einem ich-fresse-dich-auf-wenn-du-nervst-Blick und der Einstellung, einfach nur den Tag überleben zu wollen, durch die Gegend. Aber hey, solange die lebendigen Menschen keine Jagd auf mein untotes-Ich machten, war doch alles in Ordnung!

Mit brummendem Schädel furh ich zur Schule, dabei nicht sonderlich auf die Verkehrsregeln achtend. Eigentlich hatte ich sogar vorgehabt erst gar nicht zum Unterricht zu erscheinen, doch dann war mir mein Treffen mit Ciara wieder eingefallen und ich wollte ihr keine Möglichkeit geben, sich davor zu drücken. Deshalb würde ich nun wohl meinen Schlaf auf den harten, unbequemen Schulbänken, statts in meinem traumhaften, flauschigem, weichem, liebevollem, himmlischen Bett nachholen.

Wie kann ein Bett liebevoll sein?

Indem es nervende innere Stimmen abschält!

Scharf fuhr ich in die Parklücke zwischen dem wieder sauberen Ashton Martin und meinem geliebtem Baby. Keine Ahnung, weshalb ich ausgerechnet diesen Parkplatz genommen hatte und nicht einer der hundert anderen. Aber ich schätze Mal, ich wollte Marco die Muhe sparen, dass Auto über die Schulter zu werfen und hier rüber zu tragen. Schaffen würde dieser Ochse es wahrscheinlich auch noch.

Mit einem letzten Blick in den Rückspiegel, der mir versicherte, dass man sich immernoch in den dunklen Teichen unter meinen Augen ertränken konnte, öffnete ich die Autotür und schwang meinen müden Hintern ins Freie. Nachdem ich mich kurz umgeschaut hatte wusste ich, dass Dyan mit den anderen an ihrem üblichen Platz standen. Nur hatte ich keinen blassen Schimmer, was ich jetzt tun sollte. Mich zu ihnen stellen? Erschien mir als keine gute Idee, da ich auch Stefanie bei ihnen entdecken konnte.

Wie sonst auch immer alleine auf eine Mauer setzten und bis zum Klingeln warten?

Hörte sich verlockend an, aber... shit! Ben hatte mich entdeckt und etwas zu Dyan gesagt, der jetzt auch zu mir schaute.

Auffordernd hob er eine Augenbraue. Überrascht musste ich jedoch feststellen, dass es weniger wie ein 'beweg deinen Arsch her' aussah, sondern eher Richtung 'du kannst dich ruhig zu uns stellen' ging.

Ich zögerte. Zum einen wollte ich nicht nochmal so viel Aufmerksamkeit wie gestern in der Mittagspause erregen, anderseits konnte ich nicht versprechen die Jungs nicht in Grund und Boden zu stampfen, weil sie so dumm waren und illegales Zeug am Laufen hatten.

Das war doch schon länger klar. Wieso macht es dir jetzt etwas aus?

Hm, die Frage war gar nicht so schwer zu beantworten. Natürlich war es in der ganzen Schule bekannt, dass Dyan mit Drogen dealte, aber zu sehen, wie er sich Sorgen machte wegen irgendwas verschärfte das Ganze. Es musste ziemlich riskant sein, wenn sogar er sich Gedanken machte.

Peinlich berührt fiel mir auf, dass ich schon sicherlich eine Minute einfach nur herumstand und wagte es schließlich auf die Gruppe zuzugehen.

Unsicher blieb ich vielleicht einen Meter vor ihnen stehen und bekam von Dyan, Ben, Marco und Seth ein grüßendes Nicken. Dan ignorierte mich, was ich auch vollkommen in Ordnung fand, und Cole war zu beschäftigt ein Mädchen abzusabbern, um mich überhaupt zu bemerken.

Richtig überraschen tat mich nur Ciara, die mir ein schüchterndes Lächeln zu warf, das ich erwiederte. Genauso wie ich beteiligte sie sich nicht an den Gesprächen der anderen, doch mir fiel auf, dass sie näher als sonst an Dyan stand und er sie ständig mit einem milden, liebevollen Lächeln betrachtete.
Ein Stein fiel mir vom Herzen und ich atmete erleichtert aus. Anscheinend hatten sie endlich miteinander geredet.

Die wenigen Minuten bis zum Klingeln blieb ich einfach stumm bei der Gruppe stehen. Alles was ich machte war Stefanies Killerblick mit einem viel besseren pass-auf-was-du-machst-oder-du-bist-Tod-Blick zu erwidern. Sie sollte sich lieber nicht so schnell wieder mit mir anlegen!

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