Kapitel 78

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Dyan's Sicht

Hätte sich jemand so vollkommen asozial und hirnverbrannt wie ich verhalten, ich hätte denjenigen verschlagen, bis er nicht mehr gerade gehen könnte.

Wie hatte ich ihr nicht hinterher rennen können? Sie nicht zurückhalten und an einen ruhigen Platz schleppen können?
Stattdessen hatte ich sie gehen lassen, war wie versteinert stehen geblieben, bis sie nicht mehr zu sehen war.

Wütend über mich selbst knurrte ich in die belastende Stille, die das Auto erfüllte.
Ciara neben mir wirkte genauso angespannt, wie ich mich fühlte. Blass starrte sie aus der Windschutzscheibe in die Dunkelheit, die nur von den Scheinwerfern des Autos unterbrochen wurde.

"Wir sollten nochmal zu ihr nach Hause fahren."
Bei meinen Worten wandte sie sich noch nicht mal zu mir um. Stattdessen entwich ihr ein kleiner Seufzer. "Was soll das bringen, Dyan? Wir waren schon dreimal bei ihr und jedesmal hat niemand aufgemacht."

Sobald ich wieder in der Lage dazu gewesen war, mich zu bewegen, war ich zurück ins Haus gerannt und hatte Marco und Ciara erneut unterbrochen.
Wenn es nicht viel wichtigeres zu regeln gegeben hätte, hätte ich bestimmt ein Wörtchen mit ihm zu reden gehabt, aber das war definitiv nicht der richtige Zeitpunkt gewesen. Bevor sich meine Schwester mal wieder über mich aufregen hatte können hatte ich ihnen völlig außer mir von dem berichtet, das ich gesehen hatte. Beide waren mindestens genauso geschockt gewesen wie ich.

Keiner von uns hatte mehr an die Grillparty gedacht und meiner Mutter hatte ein Blick auf uns genügt, um zu wissen, dass sie uns nicht aufhalten sollte.
Marco hatte den anderen Jungs bescheid gegeben überall nach Tessa zu suchen. Ich bin mir nicht ganz sicher, was genau er ihnen erzählt hatte, aber soweit ich wusste hatte sich jeder ohne weitere Fragen aufgemacht.

Ciara und ich waren direkt zu Tessa nach Hause gefahren. Ich war zwar nicht so dumm gewesen zu glauben, dass wenn Tessa uns wirklich aus dem Weg gehen wollte, sie einfach nach Hause fuhr, doch es war trotzdem der beste Ansatzpunkt gewesen.
Natürlich war niemand da gewesen. Wir waren nicht einmal auf die Auffahrt gekommen, da das Eisentor des Anwesens abgeschlossen gewesen war.

Auch im Dinnertime hatte man uns nicht weiter helfen können. Die kleine rotahaarige Kellnerin hatte uns besorgt berichtet, dass Tessa wohl gestern nicht zu ihrer Schicht aufgetaucht wäre, doch wo sie sich aufhalten könnte wusste keiner.

Danach waren wir einfach auf gut Glück durch die Gegend gefahren...

"Wer denkst du hat ihr das angetan?", flüsterte Ciara leise mit erstickter Stimme. Bei ihrem Anblick,mit den Tränen gefüllten Augen und dieser nackten Verzweiflung im Blick, schnürte es auch mir die Kehle zu.

Langsam, als wäre mein Kopf doppelt so schwer als sonst, schüttelte ich den Kopf. "Ich habe keine Ahnung und ich kann es auch immer noch nicht fassen, dass gerade sie so brutal verschlagen oder was weiß ich wurde!" All der angestaute Frust lag in meinem Schlag, als ich die Faust auf das Lenkrad donnerte.
"Ich meine, verdammt! Sie ist Tessa! Die Kampfmaschiene, diese unbeugsame Frau, die jeden in den Arsch tritt, der ihr dumm kommt!"

Schwer atmend rang ich wieder um Fassung, doch am liebsten hätte ich die ganze Welt zusammen geschrien.
Wie konnte man so etwas jemanden antun? Aber ich hatte wohl kaum das Recht, darüber auch nur ein Wort zu verlieren...

"Ja, kaum zu fassen nicht wahr...",die Stimmte meiner Schwester verlor sich im leisen Brummen des Motors.

Eine Weile sagte keiner von uns beiden etwas. Wir beide starrten hinaus in die nächtliche Landschaft und zum vierten Mal an diesem Tag fuhr ich die Straße zu dem Anwesen der Andersons entlang.

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