Kapitel 56

327K 13K 3.5K
                                    

Als Dyan mich bat, mit ihm nach draußen zu kommen hatte ich mit allem gerechnet. Davon dass er mir befahl die Jogginghose noch in der nächsten Schulstunde zu holen, bis dass ich sie ihm ersetzen musste, weil er sich wieder zu einem Kindergartenjungen zurückentwickelt hatte und alles was ein Mädchen angefasst hatte als 'verseucht' ansah.

Aber garantiert nicht damit, dass er sich plötzlich zu mir herunter beugte und mich küsste. Und ganz sicher hatte ich auch nicht den elektrisierenden Schauer erwartet, der mir den Rücken herunterjagte und jede Stelle meines Körpers kribbeln ließ.

Selbst meine Fingerspitzen kitzelten derartig, das ich schon Angst hatte, sie würden gleich Funken sprühen.

Es gab nur ein einzigen Teil von mir der nicht kribbelte, sondern brannte. Und das waren meine Lippen, ja die mit Dyans zu verschmelzen drohten.

Selbst in dem Schockzustand, in dem sich mein Gehirn befand, konnte ich spüren wie zart sein Mund auf meinem lag und wie angenehm Wärme, die von ihm ausging, war.

Am liebsten hätte ich mich ganz nah an ihn gedrängt, um komplett von seinem Duft eingehüllt zu sein, und meine Hände in seinen Haaren vergraben.

Aber vielleicht war es auch gar nicht schlecht, dass weder mein Verstand noch mein Körper zu einer solchen Handlung fähig war.

Ich meine, es war immernoch Dyan, der mich gerade küsste. Dyan, der schon so viele andere Mädchen geküsst hatte... naja okay, es war ja nicht so als hätte ich zuvor nicht auch schon ein paar Mal einen Jungen geküsst, aber Dyan war dafür bekannt, die Frauen reihenweise ausgenutzt zu haben...

Aber so wie er auf einmal sanft seine Lippen zu bewegen begann, verstand ich vollkommen, weshalb jeder seiner Betthäschen auch nachdem er sie abserviert hatte, ihm wie ein treuer Dackel folgten.

Anscheinend sah er es als ein gutes Zeichen, dass ich ihm nicht sofort eine verpasst hatte und legte nun mutig eine Hand in meinen Nacken, um meinen Kopf leicht nach rechts zu neigen. Ich war mir allerdings nicht so ganz sicher, ob das nicht eher ein ganz schlechtes Omen dafür war, dass ich den Verstand verlor. Vor einer Woche hätte ich ihm jetzt kräftig in die Eier getreten und ihn derart zur Schnecke gemacht, dass ihm Hören und Sehen vergangen wäre. Und jetzt... jetzt wusste ich nicht mal ansatzweise was ich machen sollte. Die taffe unnahbare Tessa raushängen lassen oder mich diesem berauschendem Gefühl seiner Lippen hingeben?

Gefangen im Wirrwarr meiner Gefühle stand ich einfach weiter unbeweglich da und auch Dyan schien meine Salzsäulenhaltung so langsam auf den Keks zu gehen.

Langsam löste er sich von meinen Lippen. Nicht weit, noch immer schwebten sie nur verführerisch wenige Millimeter über meinen, aber trozdem fühlte ich einen kalten Luftzug und etwas in meinem Bauch fühlte sich plötzlich ganz schwer an.

In etwa so, wie wenn tausende Schmetterlinge auf einmal vom Himmel fallen?

Sein heißer Atem blies mir sachte ins Gesicht und ich spürte wie sein Daumen sanft meinen Hals streichelte. Sofort hatte ich an der Stelle eine Gänsehaut und da seine Lippen nicht mehr meine volle Konzentration beanspruchten, schien seine Hand nun meine Haut zu brandmarken.

Wieso war das Bedürfnis nur so groß, mich auf die zehen Spitzen zu stellen und die kleine Kluft zwischen uns wieder zu schließen?

Und wieso war die Hoffnung, er würde sich einfach wieder runterbeugen, so ohnmächtig stark, nachdem mir klar wurde, dass ich nicht in der Lage sein würde ihn von mir aus zu küssen?

Ein Teil von mir hätte mich am liebsten für diese dämlichen Gedanken in einen der vielen Spinte auf dem Flur eingeschlossen und mich darin vergammeln lassen, bis ich aufhörte so herumzuspinnen. Aber der andere Teil flehte Dyan laut los an und dieser war, im Moment zumindest, übermächtig.

behind the screenWhere stories live. Discover now