Kapitel 85

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Die zwei Tage waren schneller vergangen, als ich erwartet hatte.
Dafür konnte ich wahrscheinlich den Lawyer Geschwistern danken, die mich noch immer keine Sekunde aus den Augen liesen und meinen Freunden, die nachmittags anscheinend nichts besseres zu tun hatten, als bei mir im Krankenhaus zu sitzen und mir diverse Kartenspiele beizubringen, bis ich sie alle im Pokern abzog und sie beleidigt dazu übergingen, mich über alles zu informieren, das ich verpasst hatte.
Tatsächlich zogen die Stunden sogar so schnell an mir vorbei, dass mein immer noch leicht benebelter Kopf nur mit den nötigsten Gedanken hinterherkam und mich von Zweifeln und Ängsten verschonte. So leicht und unbeschwert hatte ich mich eine Ewigkeit nicht mehr gefühlt und ich war froh darüber, sie mir nicht selbst mit unnötigen Sorgen zu zerstören.
Einfach zurücklehnen. Die anderen übernehmen alles für dich.

Wahrscheinlich war es auch meine Furcht vor den Gedanken, die mit der Einsamkeit kommen würden, die mich am Donnerstagabend nur halbherzig mit Dyan und Ciara darüber hatten streiten lassen, ob sie am nächsten Tag in die Schule sollten. Allerdings hatte Dyan auch ziemlich schlagkräftige Argumente, wie zum Beispiel seine Lippen, die mich einfach so lange ablenkten, bis all die Gründe, weshalb sie nicht wegen mir ihre Schulbildung vernachlässigen sollten, in meinem Kopf wild durch einander gewürfelt waren.

Ein Schmunzeln zupfte an meinen Mundeinkeln, während ich mich vom besagten Bösewicht aus dem Krankenhaus rollen lies.
Die Nachmittagssonne kitzelte angenehm auf meiner Nase und ich reckte genüsslich das Gesicht gen Himmel.
Meine Güte, hatte ich das vermisst.

Leider hatte selbst mein dicker Sturkopf nicht gereicht, den Rollstuhl, in dem ich durch die Gegend kutschiert wurde, zu vermeiden und angesichts meiner Probleme alleine aufs Klo zu gehen, war er wohl oder übel auch angebracht.
"Und du kleiner Dickschädel, froh endlich wieder deine Freiheit zu haben?"
Dyans Atem kitzelte an meiner Wange und ich drehte mich grinsend zu im um.
"Du weißt ja gar nicht wie sehr."
Er schmunzelte. "Ich kanns erahnen."
Ciara und Mrs. Lawyer... äh ich meine Muriel, wie sie mich aufgefordert hatte sie zu nennen, kamen hinter uns her, die eine mit einem Stapel Blättern von dem Arzt in der Hand, die andere mit einer Tasche mit all dem Zeug, das sich über die Tage in dem Krankenhauszimmer angesammelt hatte.
Dyan wartete bis seine Mutter in eine Richtung deutete, in der das Auto stehen sollte, bevor er mich weiterschob.
"Ich hoffe das Krankenhausessen hat dir nicht allzu gut geschmeckt, denn bei dem Gourmetessen, dass Ariadne gerade bei uns zubereitet brauchst du allen Platz der Welt in deinem Magen", rief Ciara mir zu und grinste verschmitzt. Allein das Wort 'Essen' lies meinen Magen hungrig knurren und meine Augen ganz groß und rund werden.
"Oh mein Gott! Endlich wieder etwas anderes als diese Matschepampe!" Begeistert hampelte ich mit den Armen herum, bis Dyan ein beschwerenden Laut über das Wackeln des Rollstuhls von sich gab. Ich grinste ihn entschuldigend an, konnte es aber nicht lassen, noch einmal freudig in die Hände zu klatschen.
"Okay, ich sag Adriadne bescheid, sie soll noch etwas mehr machen, damit es auch noch für uns reicht", lachte Muriel über meine Reaktion und lief mit dem Autoschlüssel in der Hand vor, um uns den Wagen aufzuschließen. Oder besser gesagt den Minivan.

Entgeistert starrte ich auf den grauen Brocken von einem Auto vor uns und fühlte wie Scham in mir aufstieg.
"Den Van habt ihr jetzt aber nicht extra für mich besorgt oder?"
Dyan zog fragend eine Augenbraue hoch. "Naja, wir haben uns gedacht das wäre für den Rollstuhl am praktischsten."
"Aber ihr solltet euch nicht solche Umstände wegen mir machen!!"
Mein aufgeregter Tonfall hatte nun auch Ciara und Muriel aufmerksam werden lassen und bevor ich auch nur richtig dazu kam, alle drei zurecht zu weisen, wurde mir eine Hand vor den Mund gehalten und ich unter wildem Herumgezappel samt Rollstuhl über eine kleine Rampe, die an der Rückseite des Vans ausklappen konnte, ins Wageninnere transportiert.

Wütend starrte ich Ciara an, die mir noch immer den Mund zu hielt und murmelte trotzig Verwünschungen in ihre Handfläche.

"Ihh Tessa! Hör auf zu reden das kitzelt! Ich habe doch gesagt, wir hätten Klebeband für die Fahrt mitnehmen sollen! ICH werde sie auf jeden Fall nicht im Schacht halten, wenn sie erstmal ihr Zimmer sieht!"
Im gleichen Moment, indem sie die Worte aussprach, weiteten sich ihre Augen bereits erschrocken und meiner Kehle entrang sich ein hohes Quietschen.
So wie sie das ausgesprochen hatte, konnte es gar nicht etwas gutes heißen!
Diese Vollidioten hatten sich doch nicht wirklich die Mühe gemacht, mir eines der Gästezimmer persönlich herzurichten?! So wie ich sie einschätzte, hatten sie wahrscheinlich noch ein kleines Präsent auf die Tagesdecke gelegt.
Ich konnte mich nicht so recht zwischen Dankbarkeit und Entsetzen entscheiden, also schwankten meine Worte, die man dank der Hand in meinem Gesicht wahrscheinlich eh nicht verstand, zwischen Flüchen, Dankesbekundungen und vielen überforderten Lauten.

behind the screenWhere stories live. Discover now