Kapitel 80

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Dans Sicht

Marco reagierte einen Sekundenbruchteil bevor Ciara zur Seite kippte und bekam sie im selben Moment zu fassen wie Ben, sodass sie schlaff zwischen den beiden hing.
Wir anderen standen perplex um die kleine Truppe herum und starrten verwirrt auf die kleine zierliche Gestalt. Was war hier gerade passiert? Mein Blick schweifte zu Dyan, doch anstatt seiner gewöhnlichen Gefasstheit, mit der er alles zu regeln pflegte, fand ich in seinen Augen nur ein verängstigtes Glitzern.
Mir stockte der Atem und während sich die anderen Jungs langsam aus ihrer Starre lösten und nach einem Arzt brüllten und die zwei Beamten so gleich zu Ciara eilten, blieb ich genauso wie Dyan still stehen.

Immer wieder streckte und ballte mein Freund seine Finger und schien gedankenlos ins Nichts zu starren, das sich in Mitten von Ciaras blassem Gesicht befand.

Das hatte ich noch nie erlebt. Dyan hatte uns schon aus wirklich viel Scheiße herausgeholt, dabei gelogen bis ich selbst manchmal nicht mehr wusste, was die Wahrheit gewesen war. Er war stets der erste von uns gewesen, der Situationen einschätzen und auf sie reagieren konnte.
Doch jetzt... stand er vollkommen hilflos da.

Er war überfordert. Das war das aller erste Mal, dass ich Dyan Lawyer überfordert erlebte. Und definitiv das letzte Mal, dass ich es erleben wollte.
Ohne auf die anderen zu achten und den Arzt, der gerade auf uns zu gejoggt kam, lief ich mit langen Schritten auf ihn zu und packte ihm im gleichen Moment am Arm, um ihn zur Seite zu ziehen, wie der junge Arzt ihn zur Seite schieben wollte.

Er warf zuerst Dyan einen Blick zu, bevor er mir ernst zu nickte, was ich mal als die Forderung aufnahm, mich um meinen Kumpel zu kümmern, bevor wir hier noch einen zweiten Ohnmächtigen hatten.
Aber das musste man mir nicht sagen.

Ich fühlte mich selbst zwar auch unter Schock, jedoch gab ich mein bestes es wie die letzten Tage zu machen und Tessa einfach ganz tief in meinen Verstand zu verdrängen. Aber dass wir wegen ihr hier im Krankenhaus waren, wegen ihr Ciara gerade umgekippt war und wegen ihr Dyan die Welt betrachtete als hätte er noch nie zuvor das Grauen entdeckt, das überall lauerte, lies sich kaum ignorieren.
Wenn dieses Mädchen eins noch besser konnte, als kämpfen, dann war das definitiv alles auf den Kopf zu stellen.

Ich presste die Lippen fest aufeinander und zog Dyan noch ein Stück weiter von der kleinen Gruppe weg, was ich sicherlich auch nur deshalb schaffte, weil er mir willenlos folgte. Kein gutes Zeichen.
Für einen Moment überlegte ich, ihn ganz aus der Notaufnahme zu schleppen, allerdings traute ich mich nicht ihn weiter weg zu bringen, als gerade so noch in Sichtweite zu Ciara. Traumatisiert oder nicht, Dyan würde jetzt nie im Leben von seiner Schwester getrennt sein wollen.

Ich drückte ihn auf einen Stuhl, welcher an der gegenüberliegenden Wand zur Rezeption stand, und setzte mich neben ihm.
Dyan hatte noch immer keinen Laut von sich gegeben.

Ich sagte nichts und lies für einige Sekunden einfach nur die Laute der Notaufnahme auf uns wirken.
Immer wieder hasteten Ärzte an uns vorbei, das Trappeln von Schritten und Stimmen waren eine dauerhaftes Hintergrundgeräusch und die ganze Hektik lies es mir noch verkehrter vorkommen, hier einfach still zu sitzen.

"Was ist los?"

Die Frage war wahrscheinlich ganz schön dumm. Eine Freundin war im Krankenhaus, die Schwester war ohnmächtig geworden und den gesamten Tag über war er dauerhaft im Stress gewesen. Dass es Dyan scheiße ging war kein Wunder. Doch seine Reaktion darauf anders als jemals zuvor.

Dyan antwortete eine lange Zeit nicht, sondern folgte mit seinem Blick nur den vorbeieilenden Leuten, während ich ihn nicht aus den Augen lies.
Vielleicht würde er mir auch gar nicht antworten...

"Ich hätte ihr nur hinterher gehen müssen, dann wäre das alles nicht passiert."
Mir war gar nicht klar gewesen, als wie beängstigend ich Dyans Schweigen empfunden hatte, bis beim Klang seiner Stimme ein ganzer Berg von meinem Herzen viel.
Mit einem erleichtertem Seufzen entwich mir die Luft. Gut, mit Schuld Zuweisungen konnte ich schon eher umgehen.
"Ob du ihr hinterher gelaufen wärst oder nicht hätte nichts daran geändert, was Tessa bereits passiert war."
Allein die Erinnerung an Marcos Nachricht reichte um ein taubkaltes Kribbeln in meinem Vorderkopf hervorzurufen. Er war wage gewesen, viel zu wage, um mir das Ausmaß von allem ausmalen zu können, aber ich wusste dass es schrecklicher sein musste als alles andere, was ich jemals zuvor zu sehen oder hören bekommen hatte.

behind the screenWhere stories live. Discover now