Kapitel 9

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Schon verdammte zwei Stunden putzte ich jetzt das Haus!

Sofort als ich um kurz vor halb zwölf zu Hause angekommen war, hatte ich das Putzzeug herausgeholt und angefangen.

Als erstes hatte ich das Erdgeschoss gesaugt, welches aus einer riesigen Einganshalle, dem Wohnzimmer, der Küche, dem Esszimmer, zwei Bädern und einem Büro für meinen Vater bestand. Danach war das erste Stockwerk fällig, wobei ich das Zimmer von Kathrin ausgelassen hatte, da sie sicherlich schon schlief und ich auch so mit meinem Zimmer, dem Zimmer meines Vaters unseren zwei Bädern und Kleidungszimmern genug zu tun hatte.

Das zweite Stockwerk hatte ich erstmal noch nicht gesaugt, da Kathrin nicht allzu oft dort hinauf ging und ich mich daher lieber auf die anderen zwei Etagen konzentrierte.
Generell war ich so ziemlich die einzige, die den Fitnessraum und das Spielezimmer dort oben benutzte. Und glücklicher Weise wusste ich, dass das Badezimmer oben noch sauber war, nachdem ich es vorgestern nach meinem Training geputzt hatte. Wenn das Schicksal also auf meiner Seite war, würde sich Kathrin also nicht beschweren.

Schließlich hatte ich noch die Fenster abgewischt und angefangen die Fliesen in der Einganshalle zu wischen, als die Tür geräuschvoll aufgeschlossen wurde.

Oh mein Gott! Ich hatte meinen Vater vollkommen vergessen!

Stocksteif stand ich da, während mein Vater hinein getorkelt kam. Schon von weitem konnte ich die Alkoholfahne riechen und sehen das er NICHT gut gelaunt war. Sein Gesicht war wütend verzogen und er betrachtete mich angewidert, wie ich mit dem Wischmop in seiner riesigen Villa stand.

"Was trägst du da, verdammte Schlampe?!", brüllte er und deutete vorwurfsvoll auf die Schürze, die ich mir umgebunden hatte.

Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe. Was sollte ich darauf auch antworten? Egal was ich sagte, er würde nur noch wütender werden.

" Wie eine Bedienstete läufst du herum! Das ist unter der Würde unserer Familie! Was sollen den die anderen denken, wenn MEINE Tochter die kleine Putz-Hure spielt?!"

Er kam immer näher zu mir und meine Brust schnürrte sich vor Angst zusammen.
Ich wollte das nicht mehr!
Mein Dad musste da doch noch irgendwo sein. Der Dad der mit mir zusammen auf den Spielplatz gegangen war, der mir immer ein Eis gekauft hatte, der mich immer getröstete hatte.
Doch von diesem Mann konnte ich nichts erkennen, als er nun noch ein Schritt auf mich zu kam.

Ohne es wirklich wahrzunehmen wich ich ein Stück zurück. Doch meinem Vater schien es aufzufallen, denn wenn möglich schien er noch wütender zu werden.

" Nur ein einziges Mal. Nur ein einziges Mal will ich sehen, dass du deinem Namen Ehre machst. Deiner Mutter Ehre machst!" knurrte er und kam so schnell auf mich zu, dass ich nicht mehr reagieren konnte.
Ich sah nur noch wie er ausholte und im nächsten Moment brach ein gewaltiges Feuer in meinem Kinn aus und ich landete stolpernd auf dem Boden.
Meine Sicht verschwamm, als ich mir mit der Hand das Kinn hielt, wo seine Faust mich getroffen hatte. Doch allein diese Brührung reichte, damit ich zusammenzuckte.

Mein Vater stand immer noch wutendbrannt über mir und so sehr ich mir auch wünschte, dass er sich zu mir beugte, sich entschuldigte und mich in den Arm nahm, wandte er sich doch nur schnaubend ab und wollte weg laufen.

Und in diesem Moment muss irgendetwas in meinem Gehirn ausgesetzt haben. Denn anstatt keine weitere Konfrontation zu riskierench hielt ich ihn stattdessen am Bein fest. Klammerte mich an seine Hose, als könnte ich dadurch ihn davon abhalten mich alleine zu lassen. Aber natürlich ging das nicht. Mein Vater würde nicht bleiben um sich um mich zu kümmern.

Stattdessen schrie er laut auf, als wäre meine Berührung ätzend oder als wäre ich ansteckend krank. Als wäre ich nicht seine Tochter.
Dann trat er meine Hände brutal weg, was mir ein wimmern entlockte.

" Fass mich nicht an!"

Sofort zog ich meine Hände an den Körper und krampfte mich zu einer kleinen Kugel zusammen. Meine Handgelenke taten höllisch weh, doch ich versuchte es zu ignorieren.

Ich hörte noch wie er weg ging, aber selbst dann rührte ich mich nicht. Alles an mir schmerzte. Mein Rücken,meine Hände, mein Kinn und mein Herz.
Aber ich würde nicht weinen. Egal wie verschwommen ich nur noch sah, egal wie müde ich es war, ich würde nicht weinen. Schon viel zu viel Schwäche hatte ich gezeigt, als ich mich wie ein kleines Kind an ihn festgeklammert hatte.

Mein pochendes Kinn auf den Boden drückend lag ich da. Wie ein Häufchen elend. Hilflos.
In diesem Moment wünschte ich mir, ich hätte jetzt jemanden der meine Hand hielt, bis ich einschlief.
Aber das hatte ich nicht. Würde es auch nie haben. Ich musste selbst auf mich aufpassen. Und ich musste mich selbst um meine Angelegenheiten kümmern. Ich hatte nunmal keinen großen Bruder, der große Beschützer.
Und das war auch gut so. Ansonsten wäre ich nie so unabhängig und stark geworden wie ich es jetzt war.

Mit einem tiefen Atemzug stand ich auf und reckte mein Kinn in die Luft, als wäre jemand hier dem ich beweisen musste, dass ich nicht besiegt war.
Und gewissermaßen musste ich das. Ich musste es mir selbst beweisen.
Kein Schwäche, keine Hilfe, keine Träne.

Stolz maschierte ich in die Küche und holte mir ein Kühlakku.

Dann ging ich zurück in die Halle und putzte weiter, ohne einen Gedanken, wie ungerecht das Ganze vielleicht ist oder dass es anderen so viel besser ging. Solche Gedanken waren verwendete Energie. Das hier war nun Mal mein Leben und kein Wunschdenken dieser Welt würde etwas daran ändern.

Nach und nach wischte ich jeden Raum, säuberte die Fenster, entstaubte die Regale, wechselte die Bettbezüge und schmiss sie in die Waschmaschiene. Erst als ich das Gefühl hatte alles gereinigt zu haben, ging ich in das zweite Stockwerk um auch dort nochmal kurz zu saugen und zu wischen.

Dann ging ich runter, jedoch nicht sofort in mein Zimmer. Stattdessen trugen mich meine Beine in das meines Vaters.

Er lag quer über das Bett gestreckt und schien schon tief und fest zu schlafen.

Du solltest auch schlafen. Ruhe dich endlich mal aus!

Ich ignorierte meine innere Stimme und schaute erst ob es noch etwas gab, das ich putzen musste.

Doch mein Vater hatte nichts mehr verdreckt- verkotzt- also hing ich nur noch kurz seinen Anzug auf und ging dann rüber in mein Zimmer.
Mein Wecker zeigte mir, dass es bereits vier Uhr morgens war.

Aber das war mir egal. Ich hatte gerade beschlossen, dass die erste Stunde Unterricht für mich ausfallen würde.
Es war eh nur Chemie, ein Fach, in dem ich noch nie Probleme hatte mitzukommen.
Also stellte ich mein Wecker später ein und keine Sekunde nachdem ich mein Kissen berührt hatte, schlief ich bereits.

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