Kapitel 17

271K 11.5K 1.2K
                                    

Fast unbewusst strich ich über meinen Kiefer, während ich ihm die 'halb Wahrheit' erzählte.

"Ich habe gestern mitbekommen wie zwei Arschlöcher versucht haben ein Mädchen zu vergewaltigen und als ich eingegriffen habe, habe halt auch ich etwas abbekommen."

Als ich Henrys besorgtes Gesicht bemerkte winkte ich ab.

"War nicht allzu wild. Die zwei hatten echt nicht viel drauf und wie du siehst, geht es mir auch gut."

Trotzdem schienen meine Worte ihn nicht wirklich zu beruhigen. Er musterte mich erneut, diesesmal gründlicher und mir war klar, dass meine Haltung nicht ganz so aufrecht war wie sonst, da ich versuchte mein Rücken zu schonen.

"Sicher? Und du musst mir nur sagen wer die Typen sind und ich kümmere mich um sie", bei diesen Worten flammte Wut in seinen Augen auf, doch wieder winkte ich ab.

"Das habe ich schon. Außerdem, der Bruder des Mädchens wird das wohl für dich übernehmen."

Tatsächlich war ich mir ziemlich sicher, dass Dyan die Jungs nochmal aufsuchen würde. Egal wie sehr ich ihn verabscheute und was für ein Depp er meistens war, für seine Schwester würde er alles machen. Allein dass er sich bei mir indirekt bedankt hatte, zeigte schon wie eng ihre Beziehung war.

Sanft lächelte ich Henry an, plötzlich von einem warmen Gefühl überschwemmt.

"Danke das du dich um mich sorgst. Du bist echt ein toller Freund."

Ich legte meine Hand über seine, die er zu Fäusten geballt auf dem Tisch abgelegt hatte. Sofort öffnete er sie und nahm meine Hand in seine.
Sein Gesichtsausdruck wurde weicher und er lächelte sachte zurück.  "Das ist doch selbstverständlich, Süße."

Kurz drückte er meine Hände und strich mit seinen Daumen über meine Handfläche.

Ich spürte das verräterische Brennen in meinen Augen und hatte das Gefühl, als wäre mein Leben doch nicht so schlimm. Mit Freunden wie Jenny, Steve und Henry hatte ich etwas, das viele der Beliebten auf meiner Schule niemals bekamen. Echte Freunde, keine oberflächlichen Beziehungen.
Konnte Ciara von einer ihrer Bitch-Freundinnen sagen, dass sie ihr geholfen hätten, gestern in der Straße? Ich bezweifelte es, auch wenn das mehr als traurig war.

Schnell blinzelte ich, um zu verhindern, dass mir die Tränen über die Wangen liefen.
Ich fühlte mich, als wäre ich in einem warmen Kokon eingelullt und zum erstem Mal seit dem Tod meiner Mutter, glaubte, nein wusste ich, dass es Leute gab die mich schätzten und liebten.
Am liebsten wäre ich Henry um den Hals gefallen und hätte mich wie ein kleines Kind an ihn gekuschelt aber ich schätzte die anderen Gäste würden mich dann für gestört halten und außerdem kam in dem Moment auch Cami wieder an unseren Tisch um meinen bereits leeren Teller abzuräumen und mir Bescheid zu sagen, dass sie jetzt auch los müsste.

Ich nickte ihr lächelnd zu und stand auf, um ihr nach hinten in die Räume des Personals zu folgen. Davor blieb ich aber nochmal kurz stehen um mich zu Henry runter zu beugen und ihn fest zu umarmen. "Danke das es dich gibt", wisperte ich und kurz überrascht von meiner plötzlichen Rührseligkeit erwiederte er die Umarmung nach einem Augenblick.

"Das kann ich nur zurückgeben."

Als ich mich von ihm löste lächelte er mich liebevoll an und mir wurde klar, dass Henry für mich soetwas wie ein großer Bruder war. Mein Beschützer, so wie Dyan für Ciara.

Nur das er gar nicht weiß, vor was er dich eigentlich beschützen muss...

Ich versuchte die Stimme zu verdrängen, auch wenn sie mal wieder vollkommen richtig lag. Aber ich konnte einfach niemanden davon erzählen. Bei dem bloßen Gedanken, wie er mich anblicken würde, so mitfühlend und traurig, zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Und auch meinen Dad konnte ich nicht verraten. Man würde ihn sicher verklagen oder sonst etwas.

behind the screenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt