Kapitel 46

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Belle

Eigentlich sollte ich ihn von mir drücken, mich gegen ihn wehren, aber ich ließ es zu, versteckte mein Gesicht tiefer in seiner angenehm duftenden Brust und weinte unaufhaltsam weiter. Und von ihm hätte ich ebenso erwartet, dass er sich von mir entfernte.

Doch er hielt mich fest. Ihm schien es nichts auszumachen, dass ich sein Shirt durchnässte oder dass wir immer noch am Straßenrand unter einer Straßenlaterne standen. Ich konnte nicht beschreiben wie oder wann die Tränen aufgehört hatten zu fließen, aber zum ersten Mal seit Ewigkeiten fühlte ich mich geborgen. Hier in seinen Armen fühlte mich nicht mehr einsam. Die Einsamkeit war mir nichts Fremdes, schon lange bevor ich ins schwarze Viertel verschleppt worden war, aber im Moment genügte mir diese Umarmung, um diese einsamen Momente zu vergessen.

»Mein Zorn«, setzte Jack leise an. »galt nicht dir, es galt nie dir, sondern« Meine Kopfhaut kitzelte unter seinem Atem als er tief ausatmete. »Sondern diesem Land und der Regierung. Dass wohlhabendere Bürger mit anderen, ärmeren Menschen wie eine Katze mit einer Maus spielen. Überhaupt dazu in der Lage sind...«

Meine Arme, die ich bis jetzt an mich gedrückt hatte, schlangen sich langsam um seine Taille. »Ich weiß«, murmelte ich an seiner Brust, genoss jede Sekunde, in der ich seinen Duft einatmen konnte. Es beruhigte meine Nerven, ließ mich vergessen, was vor nicht mal zehn Minuten geschehen war. Und ich konnte mir nicht erklären wieso. »Dieses Land, diese Armbänder... Nichts davon ist fair.«

Und es würde sich niemals ändern. Zumindest solange mein Vater dieses Land anführte. Jemand anderes müsste übernehmen, müsste den ersten Schritt in eine neue, unbekannte Zukunft wagen.

»Wie geht es dir?«, fragte Jack, seine Hand verharrte in meinen Haaren.

Ich brachte vorerst nur ein Nicken zustande. »Besser«, fügte ich im Nachhinein hinzu.

Jack schmunzelte leicht ehe er soweit Abstand nahm, dass er mir wieder ins Gesicht sehen konnte. Seine Hände ruhten nun auf meinen Schultern, in der Nähe meines Halses. »Dann sollten wir langsam wieder zurück. Ich weiß nicht wie lange die Heulsuse von Bodyguard es noch ohne Essen aushalten wird.«

Ich lachte leise bei der Vorstellung wie Shane schmollend darauf wartete bis wir ihm etwas zu Essen brachten. Schließlich löste ich mich endgültig von ihm, weswegen mich diese innige Wärme sofort verließ und die Kälte der Nacht mich umhüllte. Ich strich mir ein paar Haarsträhnen hinters Ohr, die mir im Wind ins Gesicht peitschten. »Er ist eigentlich ein sehr sturer und ernster Mensch. Dass er wegen sowas rum zickt, bezweifle ich.«, lächelte ich schüchtern. Auch wenn er mich eben getröstet hatte, konnte ich nicht einschätzen in welcher Stimmung er sich gerade befand.

Jack hob den runtergefallenen Rucksack wieder auf, schulterte sich den und lief neben mir, zurück Richtung Wald. »Wie lange kennt ihr euch denn schon?«, fragte er interessiert.

»Seit ich sechzehn bin.«, antwortete ich ehrlich. »Während ich im roten Palast gearbeitet habe, wurde er mir ab und an als Sicherheitsmann zur Verfügung gestellt.« Halbe Wahrheit.

»Ihr steht euch aber nicht besonders nah.«, bemerkte er.

Ich zuckte die Schultern. »Jeder im roten Palast ist etwas distanziert. Sowohl Familienmitglieder, als auch Arbeiter.«

»Wieso?«

»Naja, da läuft alles so Ernst ab. Keine Späße, kein Rumalbern und... kein Ausgehen.«

Überrascht schossen Jacks Augenbrauen in die Höhe. »Klingt mehr nach einem Gefängnis, eintönig und langweilig.«

»So ist das Leben dort.«

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWhere stories live. Discover now