Kapitel 62

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Belle

Ich hatte die Augen geschlossen als mich eine plötzliche Kraft nach hinten zog und ich rücklings auf dem Boden landete. Die Tür wurde zugeknallt und von draußen hörte ich die Schüsse gegen die Metalltür abprallen. Erst als ich merkte, dass sich der Boden unter mir bewegte, wagte ich es die Augen zu öffnen. Erneut wurde ich zur Seite geschoben und jemand warf sich gegen die Tür und sperrte diese mit einem Schlüssel ab. Ich blinzelte etwas neben der Spur und starrte meinen Retter an. Es war als hätte sich mein Gehirn abgeschaltet. War ich vielleicht doch tot und jetzt dafür im Himmel? Aber ginge das wirklich so schnell?

»Wir könnten jetzt unsere Ärsche hier rausbringen oder aber herausfinden, wer länger starren kann ohne zu blinzeln.«, hörte ich diese allzu vertraute, sarkastische Stimme. Jack. Jack war hier. Jack stand vor mir und reichte mir seine Hand, die ich langsam – wie in Trance - ergriff. »Ich würde wohl verlieren.«, fügte er hinzu.

Früher hätte ich sofort eine passende Antwort parat gehabt, aber ich brachte nichts über die Lippen. Im Moment war ich nichts weiter als eine einsame Seele, die in einer leeren Hülle gefangen war und mit aller Macht versuchte einen Ausweg in diesem Chaos zu finden. Einem Chaos, das ich verursacht hatte.

Sachte zog Jack mich auf die Beine, als er bemerkte, dass ich nichts darauf zu erwidern hatte, und drückte mich mit einer Hand an meinem Hinterkopf an seine Brust. Spürte er meine Hilflosigkeit? Sah er den Schmerz in meinen Augen, das unschuldige Blut an meinen Händen? Bemerkte er, dass ich eigentlich schon mit allem abgerechnet hatte? »Es wird alles wieder gut«, murmelte er an meinem Haaransatz. »Ich werde dich erst einmal hier rausbringen, aber dafür brauche ich dich bei vollem Verstand, okay?«

Hier raus. Das ist es, was ich wollte. Ich wollte hier raus. »Bitte«, flehte ich leise. »Bitte.«

Jack nickte ernst und da verstand ich, dass er der Erste gewesen war, der geschossen hatte. Seine Waffe, die noch in seiner Hand lag, war der Beweis dafür. Mit seiner freien Hand zog er mich weg von der Tür, weg von diesem Dach. Wir liefen ein Stockwerk weiter nach unten bis wir Schritte aus dem Flur wahrnahmen und uns sicherheitshalber in einen abgelegeneren Raum begeben mussten.

Ich hielt den Atem an als Jack die Tür hinter uns schloss, nachdem er die Lage durch einen kleinen Schlitz abgecheckt hatte. Was wollten wir tun, wenn sie uns hier fanden? Es waren Rote, die nach uns suchten, weil sie dachten, dass ich Ihren Anführer angegriffen hätte. In ihren Augen war ich eine Verbrecherin. Und jetzt dachten sie auch, dass ich eine Gefahr für den blauen Anführer darstellte.

»Sie suchen nach mir.«, seufzte ich. »Sie denken, dass-«

»Ich weiß«, unterbrach mich Jack. »Ich weiß alles.«

Meine Augen wurden groß. Was meinte er mit alles? Meine Glieder zitterten und das Blut rauschte mir in den Ohren. Kannte er meine wahre Identität? Ich versuchte mich zu beruhigen, denn ich konnte es mir nicht leisten hier und jetzt die Fassung zu verlieren.

Es war Jack, der auf Jason geschossen hatte, nicht umgekehrt. Jack half mir, er beschützte mich.

»Du musst mir vertrauen, denn nicht mal deine engsten Bekannten sind auf deiner Seite. Du hast leider keine andere Wahl als dich auf mich zu verlassen.«, erklärte Jack als er meine Panik in den Augen entdeckte.

Ich blinzelte. Er hatte recht. Es gab nur noch ihn. Jason, der Mann, den ich seit ich mich selbst kannte Onkel nannte, war von Anfang an mein wahrer Feind gewesen. Und dennoch... dennoch fragte ich mich, wo er getroffen wurde. Ob er schwer verletzt wurde oder ob er noch lebte. Ich wollte kein Mitleid mit so einem Mann haben. Keineswegs! Aber mein Herz zog sich für Shelly zusammen. Es war ihr Vater. Sie konnte für seine Taten nichts, wir konnten uns unsere Eltern nicht aussuchen - obwohl ich mir das unzählige Male bereits gewünscht hatte.

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinKde žijí příběhy. Začni objevovat