Kapitel 20

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Belle

Es gab hier mehr Kinder als ich es mir gewünscht hätte. Bei der Essensausgabe kamen zu viele dürre Kinder mit leeren Tellern auf mich zu und warteten darauf, dass ich ihnen Suppe einschenkte. Jedes Mal hatte ich den Blick gesenkt und ihnen versucht mehr einzuschenken als den Erwachsenen. Layla herrschte mich deswegen von der Seite an, wenn sie bemerkte, dass ich einen Löffel mehr dazugab, doch ich ignorierte sie. Diese Kinder brauchten das.

Meine linke Hand brannte noch ein wenig, aber mit der Zeit ließ es immer mehr nach. Der Geruch des Essens ließ meinen Magen ständig auf knurren und ich fragte mich, wann ich wohl wieder was essen durfte. Oder ob ich überhaupt heute etwas bekam.

Zwei Sachen, die mir hier auffielen: Sie aßen alle zusammen hier in dieser Halle und sie benutzten sogenannte Essentickets. Das Essen wurde so auf faire Weise auf jeden verteilt. Jeder bekam eine warme Mahlzeit pro Tag und eine Flasche sauberes Wasser zu trinken. Unwillkürlich fragte ich mich ob sie nicht mehr auf Lager hatten. Wie konnte es sein, dass jeder nur so wenig bekam? Und wie kamen sie damit zurecht? Allein die Vorstellung so ein Leben führen zu müssen, ließ mich erschauern.

Wenn sie sich ergeben würden, könnten die Kinder jeden Tag so viel essen wie sie wollten und die Schule besuchen. Das würde aber bedeuten, dass alle erwachsenen Farblose ins Gefängnis kämen. Ich konnte wirklich nicht nachvollziehen warum sie das nicht taten... Allein schon den unschuldigen Kindern zuliebe.

»Wird's bald?« Jack hielt mir seinen Teller entgegen und riss mich aus meinen Gedanken.

Müde schöpfte ich auch ihm Suppe ein. Als ich es ihm wieder reichte, sah ich ihn erst an. Er sah mindestens genauso erschöpft aus. Mit was er wohl heute beschäftigt war?

»Du kannst nach der Ausgabe auch schnell essen, dann war's das für heute auch schon.«

Als Antwort nickte ich nur. Genau als er weiterziehen wollte, hielt ich ihn mit meiner Frage, die mir seit heute Morgen auf der Zunge lag, auf: »Wo ist Mia?« 

Hatten sie ihr etwas angetan? Ich hatte angenommen gehabt, dass es ihr hier besser als mir ergehen würde, aber ihre Abwesenheit den ganzen Tag über, ließ mich stutzig werden und jetzt machte ich mir ernsthafte Sorgen um sie. 

Kurz kratzte er sich an seinem Drei-Tage-Bart und zeigte schließlich hinter sich auf einen Tisch, wo ich Mia mit zwei weiteren Damen in ihrem Alter und diesem Drake entdeckte. Mir klappte die Kinnlade runter. Wieso saß sie zusammen mit Farblosen an einem Tisch und mahlte? Warum durfte sie schon essen und ich durfte den ganzen Tag schuften?!

Empört wandte ich mich wieder dem schwarzen Anführer zu. »Was wird das? Wieso wird sie bevorzugt behandelt? Wir sind beide Violette, die beide für William Night gearbeitet haben! Wir stecken im selben Boot, wieso wird sie anders behandelt?« Das Ganze war mehr als unfair! Meine Beine waren von oben bis unten aufgeschürft, meine Haut war noch rot aufgrund des billigen Waschmittels, das mir Layla auf die nackte Haut gerieben hatte und meine Hand hatte sie auch geschnitten! Zusätzlich schlief ich mehrere Tage in einem Kerker auf dem eiskalten und dreckigen Boden und konnte den Abend mit dem Anführer höchstpersönlich genießen. Mia hingegen blieb unversehrt und schien sich hier sogar pudelwohl zu fühlen.

Neben mir hörte ich die Rothaarige auflachen. Sie sah mich nicht an, sondern widmete sich weiter dem Ausschenken von Speisen zu, aber es war offensichtlich, dass sie uns belauschte. Genervt verdrehte ich die Augen.

Jack zuckte die Schultern. »Sie kooperiert mit uns, im Gegensatz zu dir.«

Verächtlich schnaubte ich und ließ die Suppenkelle zurück in den Topf fallen. Hatte Mia irgendwas von unserem Palastleben verraten? Ich musste sie dringend unter vier Augen sprechen. »Wann darf ich essen?«

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWhere stories live. Discover now