Kapitel 3

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Belle

Noch ein bisschen grün hier und ein bisschen da und - fertig! Zufrieden betrachtete ich die Augen meiner Mutter, die ich zu Blatt gebracht hatte. Stolz konnte ich behaupten, dass ich ihre strahlend grünen Augen bekommen hatte - und ihr schönes Lächeln. Von meinem Vater hatte ich die braunen Haare. Meine Mutter hatte Haare, die der Sonne glichen. Sie waren wunderschön. Was würde ich nur alles tun, um sie noch ein letztes Mal zu sehen. Um ihren vertraulichen Duft einzusaugen, der immer nach Blumen roch.

Ich zog meine Zeichenmappe unter meinem Bett hervor und steckte meine neuste Kreation zu ihnen. Es war ein Bild von meiner Mutter, wie sie sorgenlos in die Kamera grinste. Sie zu zeichnen half mir dabei, den Schmerz zu lindern, der niemals verschwand und auch nie verschwinden würde. Nach ihrem Tod entstand eine große Lücke in meinem Herzen, die nicht einmal mein Vater zu füllen wusste. Er versuchte es, er versuchte es wirklich... Aber wer konnte schon die Mutter ersetzen?

Ich verlor sie nur wegen einer Rebellenaktion der Farblosen. In dem Aufstand ging es wieder um dasselbe: Sie wollten anerkannt werden und ihre Farblosigkeit beenden. Aber ganz ehrlich, sie verdienten es nicht. Sie waren alle Verbrecher. Nur Kriminelle. Sie wurden damals nicht ohne Grund aussortiert. Was würde nur aus diesem Land werden, wenn man diese Menschen wieder in die Gesellschaft aufnahm? Unvorstellbares. Deswegen mussten sie ferngehalten werden. Mein Vater tat das Richtige.

»Miss Night? Ihre Stiefmutter wünscht Sie zu sehen.«, hörte ich einen Arbeiter an meiner Tür klopfen.

Schnell versteckte ich meine Mappe an seinen Platz und sprang vom Bett. Keiner durfte sehen, dass ich mich für Kunst interessierte. Ich wäre erledigt! »Komme!«, schrie ich zurück, warf einen letzten Blick auf mein Bett und huschte dann aus meinem Zimmer, um die Treppen runter zu laufen. In der Eingangshalle traf ich schließlich auf Sierra.

»Ist dein Vater schon zurück?«, fragte sie während sie die Einkaufstüten den Haushaltshelferinnen übergab.

Natürlich war sie wieder shoppen, wo denn auch sonst? »Ja, aber er musste wieder ins Hauptviertel. Es gibt wohl irgendeine wichtige Angelegenheit.«

»Die Farblosen.«, sagte sie plötzlich. Sofort spitzte ich die Ohren. Farblose? »Sie haben wieder angegriffen.«, fuhr sie sich gestresst durch die hellen Haare.

»Wo?« Ich musste wissen wo sie waren. Noch nie hatte ich einen persönlich gesehen und staunte jedes Mal aufs Neue, wenn ich von ihnen hörte. Das machte das Leben hier ein wenig aufregender.

»Im grünen Viertel.«

Gedankenverloren nickte ich. Sie waren weit weg von hier. Das grüne Viertel befand sich im südlichen Teil des Landes. Das Rote lag im Norden während sich der Hauptviertel wie ein Kreis in der Mitte die ganzen Viertel verband.

»Hast du Emily gesehen?«

»Nein«, log ich. Natürlich wusste ich wo ihre Tochter war - nämlich bei ihrer Freundin - aber ich wollte es ihr nicht verraten, um sie zu ärgern.

Sie verzog den Mund als wüsste sie, dass ich sie anlog. »Ich werde einfach Will anrufen.« Mit diesen Worten ging die eiserne Hexe an mir vorbei.

»Ich werde einfach Will anrufen«, äffte ich ihr nach und machte mich kopfschüttelnd auf den Weg ins Wohnzimmer. Dort schmiss ich mich auf die Couch und schaltete den Fernseher an.

Müde rieb ich mir die Augen als der Film, den ich spontan anschaute, ein Ende fand. Ich streckte mich ausgiebig aus und blickte aus dem großen Fenster. Die Hollywoodschaukel war frei und es gab schönes Wetter. Ohne weitere Gedanken daran zu verschwenden, schnappte ich mir mein Handy und Kopfhörer und lief nach draußen. Die Sonne ging langsam unter und tauchte den Himmel in warme orange Töne ein. Es war weder zu heiß, noch zu kalt. Frühlingsabende halt. Ich setzte mich auf die Schaukel und entspannte mich augenblicklich sobald klassische Musik in meinen Ohren spielte. Mit einfachen Ein- und Ausatmungsübungen und kleinen Massagen schaffte ich es meine Muskeln zu lockern. Die Augen schloss ich und versuchte an nichts mehr zu denken. Einige Minuten ließ ich mich von der Musik mitziehen und genoss sie. Allerdings nicht lange, denn nach einer kurzen Weile hörte ich bereits lautes Gekicher aus dem Inneren. Emily, meine kleine Halbschwester, lief laut kichernd durch den ganzen Palast und zeigte jedem ihre neue Puppe. Sowas würde ich unter normalen Umständen süß finden, aber nicht bei dieser Mini Version der Hexe. Sie versuchte mir mit ihren vier Jahren das Leben zur Hölle zu machen. Nun ja, sie kam gleich nach ihrer Mutter.

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWhere stories live. Discover now