Kapitel 60

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Belle

»Ich war es! Ich habe deine Mutter umgebracht!«

Ein Ton, so lang wie noch nie zuvor, betäubte meine Ohren. Vor meinen Augen wurde es kurz dunkel, dann wieder hell. Tränen verschleierten mir die Sicht, noch bevor ich registrieren konnte, wieso ich weinte.

Ich habe deine Mutter umgebracht. Noch einmal hörte ich diesen Satz, noch einmal, noch einmal.

»Du musst zugeben, das war ganz schön schlau von mir! Dein Vater denkt bis heute, dass es die Farblosen waren. Aber das war mein Werk. Meiner!« Jetzt lachte er in sich hinein. Wie konnte mir nie auffallen, wie gestört dieser Mann eigentlich aussah?

Man hatte mir das Herz rausgerissen, so fühlte es sich an, und nun stampfte er darauf und vergnügte sich an meinem Leid. Mein Blick richtete sich auf meine Hände auf meinem Schoß, die wie verrückt zitterten. Ich hatte nichts mehr unter Kontrolle. Mir fehlten die Worte. Mir fehlte die Kraft, aufzustehen und auf ihn loszugehen.

»Aber das war ein notwendiges Opfer, um deinen Vater wieder zur Besinnung zu bringen! Und es hat funktioniert!« Wieder lachte er. Es war das hässlichste und boshafteste Lachen, das ich je in meinem Leben gehört hatte. »Du hättest mal sehen müssen, wie er geschaut hat als er ihre Leiche sah! Seine Augen wurden blind vor Zorn!«

Dafür würde er bezahlen. Wenn nicht heute, dann morgen und wenn nicht morgen, dann übermorgen, aber er würde dafür bezahlen. Eines Tages wird er alles zurückbekommen. Das redete ich mir ein. Ich klammerte mich ganz fest an diese Vorstellung. Anders würde ich es nicht ertragen können, anders könnte ich nicht weitermachen. Mir fehlte die Kraft, selbst gegen ihn was zu tun, aber irgendwann, wenn ich hier heil rauskam, würde ich zurückkommen und ihm höchstpersönlich dieses Unheil bringen. Das schwor ich, hier und jetzt. Dafür musste ich hier nur heil rauskommen...

»Aber genug des Guten. Kommen wir zur Sache. Da du dich dazu entschlossen hast, dein Wasser nicht zu trinken, kannst du uns jetzt helfen. Wir suchen nach etwas Wichtigem und du weißt bestimmt, wo wir fündig werden.«, lehnte er sich gegen den Tisch und legte die Arme darauf ab. Ganz wie ein Geschäftsmann.

Ich erwiderte seinen Blick. Wenn er wirklich dachte, dass ich mit ihm kooperieren würde, hatte er sie nicht mehr alle.

»Dein Armband. Wo ist es?«

Meine Augenbrauen schossen in die Höhe. Er suchte nach meinem roten Armband?

»Was willst du damit?«

Er seufzte. »Muss man dir wirklich alles erklären?«

Ich biss mir auf die Zunge.

»Shelly wird die nächste Anführerin. Sie wird deinen Platz einnehmen.«

Ein freudloses Lachen verließ meinen Mund. »Mit so einem billigen Trick willst du durchkommen?«

»Wieso denn nicht? Ich habe das Sagen über meine Tochter, sie kennt ihre Pflichten und gehorcht. Sie weiß, was gut für das Land ist.«

»Und das wäre?«

»Ich. Es gibt niemand geeigneteren für die Position des Anführers als mich. Im Gegensatz zu deinem nichtsnutzigen Vater bringe ich dieses Land auf Vordermann. Oder wie glaubst du, kannst du dich hier in deinem goldigen Palast entspannt zurücklehnen und das Leben genießen?«

»Das Leben auf Kosten anderer genießen, meinst du eher.«

»Fallen diese Kosten auf dich zurück?«, fragte er enthusiastisch. »Oder auf jene, die sowieso keine Zukunft haben?«

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWhere stories live. Discover now