Kapitel 52

2.8K 178 23
                                    

Belle

Gestern hatte man mir noch Zeit zum Ausruhen gegeben. Man hatte mir die Beine verarztet, die noch von meinem Sturz aufgeschürft waren, mein Handgelenk und meine - von Layla geschnittene - Hand wurden nochmal versorgt. Heute Morgen ließ sich eine Psychologin bei mir blicken, um sich nach meinem Wohlergehen zu erkunden. Sie fragte mich, wie ich mich fühlte und ob ich Angst verspürte. Noch viele andere Fragen folgten bis sie endlich wieder ging und mich wieder in meine eigene Welt zurückkehren ließ. In eine Welt, in der ich mit Jack noch unter dem freien Sternenhimmel über diese verdrehte Realität sprach. In eine Welt, in der Hass und Vorurteile nicht zwischen uns standen.

Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meiner Trance. »Herein!«

Es war eine Ärztin, die gestern erst mit mir über meine ausgefallene Periode gesprochen hatte. Es lag an dem ganzen Stress, dem ich ausgesetzt war und nun brachte sie mir Medikamente und erklärte mir wie ich sie richtig einzunehmen hatte. Ich nickte nur und war wieder froh als sie verschwand.

Wieso freute ich mich nicht? Ich war doch wieder zuhause? Ich lag doch wieder auf einem bequemen Bett und nicht auf dem dreckigen Waldboden... Ich hatte wieder warme Wasserstrahlen auf meiner Haut spüren und meinen Körper pflegen können. Was hielt mich davon ab, das alles zu genießen?

Traurig kauerte ich mich unter der Decke zusammen. Seit ich in diesem Krankenhaus lag, war mir durchgehend kalt und nichts wärmte mich auf.

Wie schon den ganzen Morgen, starrte ich leer aus dem Fenster und beobachtete den aufgehenden Himmel.

~~~

»Du hast nichts gegessen.« Dads besorgter Blick durchbohrte meinen monotonen.

»Habe keinen Hunger.«, erwiderte ich lustlos. »Wann kann ich endlich nachhause?«

»Wenn mir die Ärzte garantieren, dass du vollständig genesen bist.« Dad nahm den Löffel mit Suppe in die Hand, setzte sich an die Bettkante. »Nimm bitte etwas zu dir.«

Ihm zu liebe nahm ich den Teller aus seiner Hand und nahm einen Schluck von der Suppe. Es war warm. Diese Suppe war warm, aber es schmeckte nicht. Trotzdem zwang ich mich wenigstens die Hälfte davon zu essen. Damit Dad sich nicht weiter umsonst Sorgen um mich machen musste.

»Liebes... Iss doch mehr.«

»Wo sind die Anderen?« Ich legte alles zur Seite und kuschelte mich wieder in die Decke.

Mein Vater seufzte schwer. »Ich habe sie gebeten, morgen wieder zu kommen. Heute wollte ich mich alleine mit dir... unterhalten.«

Es ging also los. Er wollte endlich wissen, was mir im schwarzen Viertel widerfahren war. Was sollte ich jetzt tun? Wie sollte ich ihm mein Verhalten im blauen Viertel erklären? Mir wurde schlecht. Ich hatte nicht mal nach Jack fragen können, um diesem Thema so weit wie möglich auszuweichen, aber es gab kein Drumherum.

»Bist du bereit mit mir darüber zu reden? Die Psychologin meinte, dass du nicht darüber sprechen wolltest. Belle« Er legte seine Hand auf meine. »was haben sie dir angetan, dass du nicht einmal darüber sprechen kannst?« Seine Stimme zitterte. Es lag darin die Angst vor dem, was ich ihm erzählen könnte. Seine Tochter war immerhin lange weg gewesen und er wusste nicht, wo sie war. Ich konnte mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, was er in meiner Abwesenheit durchmachen musste. Deswegen fühlte ich mich bereits genug schuldig.

Ich konnte ihm schlecht sagen, dass ich mich mit dem Sohn unseres größten Feindes einigermaßen gut verstanden hatte. Dass er mich vor den Blauen - unseren Verbündeten - beschützt hatte. Was sollte ich tun? Was sollte ich ihm erzählen? »Es ist jetzt vorbei. Das ist doch das Wichtigste, oder nicht?«

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWhere stories live. Discover now